2015-08-14-Vormittag
Kaum schreibe ich gestern, dass ich es mit dem frühen Aufstehen gut hinbekäme, verschlafe ich den nächsten Tag. Macht aber auch nichts, heute bin ich ohnehin nur kurz in der Bibliothek, weil ich bereits 15:30 Uhr zum Barbier gehe. Die ganze Zeit dachte ich, dass mir mein gestriger Journaleintrag nicht gelungen sei. Er wirkte so abwesend und unausgegoren, fast überflüssig. Vielleicht hätte ich meine immer noch vorhandene Unsicherheit anders beschreiben sollen. Jedenfalls war das das Gefühl gestern Abend und heute morgen. Jetzt, da ich den Eintrag noch mal gelesen habe, ist der Eindruck aber wieder ein ganz anderer. Seltsam.
In der Kantine der Bib bekommt man jedenfalls Tee für vier Kronen. Man bekommt hier keine Käsesandwiches oder andere vegetarische Mahlzeiten/Snacks, die über die Salatbar hinausgehen. Das ist etwas problematisch, weil ich heute morgen ganz ohne Frühstück los bin, spät dran, wie ich war.
Jedenfalls werde ich heute versuchen einen vegetarischen Mittagstisch in Campusnähe aufzutreiben. Von Berlin bin ich da ja sehr verwöhnt: Es gibt so gut wie keinen Supermarkt ohne vegetarische Fleischersatzprodukte und in den Mensen und Caféterien, gibt es neben Fleisch und Fisch eigentlich immer mindestens eine vollwertige vegetarische Mahlzeit. Die Situation in Aarhus ist da etwas anders. Hier muss man sich aktiver um diesen Lebensstil bemühen, spezielle Läden aufsuchen, usw. Aber vielleicht ist das eine gute Lockerung für mich, wenn ich mal für etwas, was mir persönlich wichtig ist und dass nichts mit lesen und schreiben zu tun hat (zumindest nicht in erster Linie) strecken muss. Jedenfalls werde ich am Sonntag wohl eine vegetarische VoKü besuchen. Vielleicht lerne ich dann ja auch gleich ein paar nette Leute kennen.
paar Links:
P.S.: All diese Aussagen haben selbstredend vorfristigen Charakter. Diese Seite (siehe “Vegetarian Options”) macht den Eindruck, dass das Vegetariersein in Aarhus nicht wirklich Probleme macht.
P.P.S.: Diese Seite hingegen lässt wiederum einen gegenteiligen Eindruck entstehen. Vermutlich ist beides nicht ganz falsch.
2015-08-13-Nacht
Spät schreibt er, aber er schreibt. Ich habe einen sehr produktiven Tag hinter mir, in dem ich vor allem weltliche Dinge ins Rollen brachte. Ich habe z.B. einen Stundenplan gebaut:
Die Quarters sind halbe Semester. Man schafft hier in Aarhus also vier Kurse in einem Jahr zu je ca. 5 ECTS. Zumindest auf dem Papier ein gutes System.
Habe die letzten Tage hauptsächlich in der Bibliothek verbracht und mit meinem Setup gerungen und bin jetzt wieder dort angelangt, wo ich einst loslief: Soll heißen ikiwiki. Aber sehr anders als zuvor. Ich will das bei Gelegenheit drüben bei EDIT vernünftig vorstellen.
Mir liegt das frühe Aufstehen erstaunlicherweise. Heute auch wieder. Ich stehe gegen 7 auf, mache mir Frühstück und Stullen für den Tag und mache mich auf den Weg. Ich bin selten nach 09:30 Uhr in der Bib. Zurzeit laufe ich noch die 30 bis 40 Minuten bis dorthin. Aber ich versuche mir ein Fahrrad zu organisieren. Laut meinem Buddy N. ist Fahrradfahren auch im Winter kein Problem.
Morgen gehe ich endlich zum Barbier und hoffe inständig, dass ich danach nicht weinen muss. Mit Barber’s in Berlin war ich immer so glücklich, hoffen wir, dass Aarhus Barber ebenfalls gut sein wird.
Ich habe außerdem meine Rückfahrt - mein Opa wird 80 und ich werde ein verlängertes Wochenende in Berlin sein - nach Berlin organisiert und bin jetzt stolzer Besitzer einer Bahncard 25 (denn für Auslandsfahrten kriegt man eh nur 25 Prozent…). Die finanzielle Lage ist dank der ersten Erasmusrate fürs Erste auch stabil, wenn auch - wie eigentlich immer in meinem Falle - prekär. Ich lebe mich so langsam ein. Ich weiß, wo ich Dinge einkaufen kann, wenn auch noch nicht alles, mir fehlt noch Zugang zu vegetarischen Produkten. Ich kann mich so langsam orientieren und die erste übermächtige Unsicherheit der Fremde ist auch überwunden wie es scheint. Damit einhergehend auch ein bisschen der Zauber. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Dänemark zwar Fremde ist, aber in dieser Fremde viel liegt, was sich aus historischen Gründen mit meiner heimischen Umgebung verbinden lässt, es gibt hier nämlich ein bisschen deutsche Kultur dank der deutschen Minderheit.
Facebook ist mir bei der Orientierung und der Organisation der Dinge hier vor Ort eine große Hilfe. Es gibt viele Gruppen, die sich als nützlich und hilfreich erweisen, selbst wenn ich so gut wie nichts beizutragen habe.
Ich fühle mich, auch das sei zugegeben, noch etwas orientierungs- und ziellos. Ich organisiere, arbeite, schreibe und lese zwar den ganzen Tag, aber es scheint nur sehr schwerfällig voran zu gehen. Alles für das Leben hier muss mühsam recherchiert und dann durchgeführt werden, was mich vom Lesen und Schreiben abhält. Das gefällt mir nicht. Sollte ich einfach lesen und schreiben, bis das Leben an die äußere Schädeldecke klopft? Klopft es vielleicht schon und deswegen fühle ich mich wie in so einer Zwischenwelt? Zwischen lesen und schreiben und der Organisation des Lebens hier, die nicht gerade wenig Zeit in Anspruch nimmt, fällt es schwer zu entscheiden auf was ich mein ganzes Gewicht legen kann. Da es noch nicht losgeht mit dem Studieren, kann ich noch nicht absehen, wie realistisch meine Hausarbeitenpläne sind. Und sollte ich mir nicht auch die Stadt ansehen? Und dänisch lernen? Einen Sportkurs besuchen? Und natürlich: Leute kennenlernen? Letzteres passiert ohnehin, daran habe ich keinen Zweifel.
Kurz: Es geht voran, auch wenn die Organisation der Dinge viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt und ich außerdem nicht so viel Zeit mit lesen und schreiben verbringen kann, wie ich gerne wollen würde. Hinzu kommt, dass die nähere Zukunft bezüglich meiner verfügbaren Zeit hier in Aarhus ungewiss ist und es mir daher schwer fällt eine gewisse Ignoranz - die fürs unablässige Lesen und Schreiben nötig ist - gegenüber dem weltlichen Geschehen um mich herum vor mir selbst schwer verteidigen kann. Wenn ich mich jetzt bis zu den Ohren in die Geschichte Walter Benjamins stürze und dann feststelle, dass ich ab nächster Woche für nichts Zeit habe, außer den Kursen an der Uni, was habe ich dann gekonnt? Andererseits: Spielt das eine Rolle, wenn ich alles in mein neues Zettelkastensystem einpflege?
2015-08-11-Nachmittag
Es scheint mir alles andere als unproblematisch, wie mir mein Setup hier jetzt anscheinend ständig durch die Finger zu gleiten droht. Habe heute, nach dem ich den ganzen Samstag und den Sonntag damit verbracht habe einen rudimentären Zettelkasten in Devon Think einzurichten und sogar bei denen ins Forum schrieb, um ein paar einfache Komfortfunktionen zu basteln. Ergebnis war dann, als ich heute nichtsahnend früh in der Bibliothek ankam, dass der Aufwand hoch, aber auch meine Einrichtung sich als fehlerhaft erwies und damit ist die ganze Arbeit den Zettelkasten zu verwenden wieder futsch. Positiv war, dass ich mich davon aber nicht abhalten lies und Tinderbox verwendete, was durchaus gut funktionierte und eine sehr schöne eierlegende Wollmilchbuttersau darstellt. Ich habe lediglich ca. 15 Seiten aus dem Benjamin-Handbuch geschafft, weil es einfach so viele Informationen zu übertragen gab, gleichzeitig sehe ich schon, dass mit dieser Spielwiese eine Menge anzufangen ist.
Was Tinderbox aber nicht ist - und das macht mich unglücklich - ist ein Ort für alle meine Notizen. Vielleicht ist es das noch nicht. Aber ein großes Problem, was ich gerade eben hatte war, dass ich mit meiner Benjamin-Arbeit soweit fertig war für heute und noch ein bisschen im Kierkegaard-Tagebuch lesen wollte und das aber nicht in die “Tinderbox” für meine BenjaminLatour-Hausarbeit schreiben konnte. Das ist insofern doof, weil ich mir auf diese Weise ja die Chance der Verknüpfung dieser durchaus unterschiedlichen Themen nehme. Und das ist doch Schade. Ich muss unbedingt herausfinden, wie man in Tinderbox oder notfalls außerhalb Tinderbox ein Notizensystem schafft, das verlässlich läuft und Tags und Zwei-Wege-Hyperlinks kann oder so etwas in der Art. Es ist nämlich klar geworden, dass darin die Stärke des Zettelkastens liegt: Dass man von beiden Seiten die Verknüpfung von Notizen sehen kann (bei Luhmann wurde das über einen Index gelöst). Man kann das auch mit dem rudimentärsten Wiki-System machen. Dann gibt es “Zettel In” und “Zettel Out” und man vermerkt jeweils auf beiden Seiten im jeweiligen Abschnitt die Verlinkung. Das wird aber schnell (wie ich bei DevonThink feststellen musste) eine Sisyphusaufgabe. Insbesondere, wenn man Zettel mit mehr als einem Stichwort versieht und dementsprechend viele Zweiwegelinks anlegen muss.
Ich bin mir nicht sicher, ob auch das im Luhmann’schen Sinn noch ein Zettelkasten ist, aber eine große Anzahl von Zettelfäden zu erzeugen, scheint mir sehr lohnenswert, weil man auf diese Weise eine immer größer werdende Redundanz erzeugt. Jeder Zettel wird auf diese Weise zu einem mit der Zeit immer mächtigeren Knoten, in deren Umfeld thematisch und inhaltlich ähnliche Zettel zu finden sind, die dann wieder ganz im Sinne Luhmanns Emergenzeffekte haben. Das ist, was ich schon innerhalb kürzester Zeit - ca. 2 Wochen, bei 295 Zetteln und 123 Stichworten - feststellen konnte. Dass dann aber leider das Programm, Zettelkasten von Daniel Lüdecke, mit der Redundanz nicht mehr klar kam und jetzt bei jeder neuen Verlinkung zu ächzen beginnt (ich warte ewig, bis ich einen neuen Zettel aufrufen kann, von einer weiteren Folgeverzettelung gar keine Rede…), ist schade, weil ich diese Arbeitsweise sehr gut und im übrigen zur ANT passend fand.
Sowohl DevonThink als auch Tinderbox scheinen mir für das was ich tun will jedenfalls nicht sehr gut geeignet. Bei Tinderbox, so schön das Programm eigentlich verschiedene tolle Features miteinander verbindet, kommt hinzu, dass es in gewisser Weise zu hierarchisch ist. Der Vorteil eines Zettelkastens ist, dass je nach Bedarf diese oder jene Folgeverzettelung von Bedeutung sein kann. Ich bin mir sicher, dass man das auch mit Tinderbox hinkriegen könnte, aber ich muss mich damit erst noch eingehender befassen. Und irgendwie habe ich außerdem die Befürchtung, dass Tinderbox nicht performativ genug ist, um sozusagen eine “Tindexbox” für alles zu haben. Möglicherweise ist es aber möglich. Möglicherweise wäre jetzt der Absprung auch noch zu machen und nicht erst wieder nach zwei Wochen. In dem oben verlinkten Forumsbeitrag wurde ich auf das Windowstool Connected Text hingewiesen. Möglicherweise ist auch das eine Alternative, die ich mir ansehen könnte.