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2015-10-04-Nachmittag

Länger nichts im Journal vermerkt. Weil einfach zu wenig Zeit. Es ist alles gut. Die Normalisierung in unendlich schöner Form (d.h.: nicht mehr allein) meines Eigenbrödlertums in Aarhus gelingt immer besser. Gehe nicht mehr zu viel auf Parties, aber sehe trotzdem den Menschen, der mir wichtig ist und zufällig andere auch. Reicht doch. Lese wieder. Schreibe wieder. Wenig zwar, aber immerhin. Dank der Unterbrechung und der Notwendigkeit eines rationelleren Vorgehens wieder zurück zum gedruckten Buch. Denn da kann man Klebezettel reinkleben und Anstreichungen vornehmen. Geht auch mit Skim ziemlich gut und PDFs sind außerdem durchsuchbar. Bücher lenken aber weniger ab. Sind Single-Purpose-Devices. Und je mehr “Screens” man hat, wenn man Bücher mal so bezeichnen will, desto besser. Aus irgendwelchen Gründen liest sich dann halt doch besser auf Papier. Zwar ist die Einfachheit der Wiederbenutzung im Digitalen höher, aber es muss auch erstmal überhaupt gelesen werden. Und das ist wichtiger. Zumal die Teilung von Laptop zum Schreiben/Notieren von mittelfesten Notizen etwas anderes ist, als die Nutzbarmachung von Literatur. Gute Begründungen sind das alles noch nicht wirklich, aber der Widerstand etwas für später zu markieren, zu notieren und weiterzulesen scheint in dieser Konfiguration geringer. Vielleicht ist es auch die Möglichkeit des handschriftlichen Vermerks? Der Geteiltheit der Werkzeuge? Laptop ist Stift, Klebezettel, Buch und alles in einem. Jedenfalls haptisch/taktil. Die Aufgliederung in unterschiedliche “begreifbare” Gegenstände hilft. Kaufe also wieder Bücher aus Papier. Hoffe darauf, ein semipermanentes Bücherregal im Gästezimmer meiner Mutter einrichten zu dürfen. Damit wäre die Problematik der Mobilität, die mit Büchern einhergeht zumindest abgewendet. Aber wir werden sehen. Nachher stehen sie vermutlich doch wieder in meinem Zimmer. Darf über die Implikation dessen, dass ich nämlich im nächsten Sommer eine riesige Scheißtonne Bücher nach D bringen muss gar nicht genauer nachdenken.


Werde demnächst die Stadt Berlin rumzeigen dürfen und freue mich riesig. Ich schätze, ich bin nicht mehr allein. Es ist alles sehr ungewohnt. Es ist alles unendlich schön. Es erstickt mich fast. Wie ein ausgiebiger Lachkrampf. Kein Grund aufzuhören. Niemals nicht.


Habe eine Reihe von Aufsätzen, die ich gern schreiben will (siehe auch):

  • Marx, die Robinsonade und Minecraft (Tweet #1, #2)
  • Benutze Barthes mit App-Logos (Tweet #1)
  • Zur Lyrik von Frittenbude (Tweetfaden)
  • Plattform statt Medium (siehe hier)
  • Erotik der Geschichte (Tweetfaden)
  • Historiography in Action
  • Das Projekt des Ja! (Tweetfaden)
  • (kleine) Geschichte der Kritik
  • Interactive NonFiction (Twine) - Was ist ein_e Historiker_in?

Suche dafür jeweils Veröffentlichungsmöglichkeiten in Form von Blogs, o.Ä.. Beispiel für einen solchen Aufsatz wäre “Es wird Zeit für mehr als eine Zeit” im Blog zur Ausstellung “Wird Zeit” von @milch_honig und Ben Egger. Geld wäre toll. Aber unwahrscheinlich. Ein halbes Jahr Vorlaufszeit wäre toll und jeweils nötig.

Einzig den Marx-Text könnte ich bei Play The Past unterbringen.

Würde auch gerne einen Text für von mir erst kürzlich entdeckten PoMo-Blog “Non-Non” schreiben.


Podcast zum Journal wird jetzt auf Podigee betrieben. Habe pro Monat eine Stunde Zeit. Da aber Episode eins gleich Überlänge hatte, habe ich noch ~45 Minuten diesen Monat.


Aarhus bleibt bezüglich der Lehre schwierig. Habe die Anmeldung meiner Kurse nach ewigem Hin und Her wohl schadlos überstanden. Kann das hier gar nicht im Einzelnen ausbreiten. Werde jedenfalls den einen schon fallengelassenen Kurs nicht wieder aufnehmen. Werde stattdessen ein zweites Individualprojekt im CSS anstreben. Hoffentlich wird das genehmigt. Projekt wozu? Wohlmöglich zum Experimentbegriff in der rezenten Science-Studies-Literatur? Oder zur Physiologie im 19. Jahrhundert? Jedenfalls zu etwas, was ich kenne, was anschlussfähig ist. Fange nichts Neues mehr an. Zu gefährlich.


Habe aber weiter an dem BenjaminLatour-Aufsatz gearbeitet, d.h. herumgelesen. Warum bin ich so unsicher? Will ich das Ding nicht abschließen? Es ist in der Tat sehr spannend. Will aber die Chance auf mdl. Prüfung nach dem WiSe in der Literaturwissenschaft nutzen. Thema dort, wenn erlaubt: Latour. Auch hier: Nichts Neues mehr. BenjaminLatour jedenfalls erschließt sich mir noch nicht. Bzw. schon, aber es scheint mir so unendlich mehr möglich damit. Klar ist jedenfalls, dass ich zwei Punkte habe, an denen man ansetzen kann:

  1. Der Kunstwerkaufsatz als Akteur
  2. Mimesis, jeweils im Verständnis von Benjamin und Latour

Könnte über die Differenzen von Sprachtheorie Benjamin und Latour (verlängerter/transformierter de Saussure) und der Bedeutung der Transzendenz jeweils eine der wichtigsten Differenzen der Theorien herausarbeiten. Das Wesen der Sprache vs. die Artikulation.

Problem dieser Gegenüberstellung: Kann ich dann noch ANT machen? Wollte ich nicht den Kunstwerkaufsatz als Akteur in der Zeit zeigen? Geht beides? Wie? Alles unklar. Verstehe Benjamin immer besser, aber das Projekt entgleitet mir zusehends. Nächste Woche dann den Kommentarteil und insbesondere zur Rezeption vom KWA im KWA-Band der Kritischen Gesamtausgabe.

Vielleicht geht es so: Geschichte des Kunstwerkaufsatzes, Beschreibung im Modus der Historiografie der theoretischen Implikationen dessen was Benjamin sagt, aber alles aus der Warte der ANT. Geht, weil ich lokalisieren und relationalisieren kann. Kann dann zeigen, wie sich insbesondere KWA in der Veröffentlichung mit dem Photografie-Essay (1963) als wirkmächtig zeigte. Kann den Schlummer des KWA zeigen, Adornos Bedeutung, Scholem. Die baldige Popularität der Benjamin’schen Gedanken. Jedenfalls für D leicht(-ish) möglich. Englischsprachige und insbesondere französische Rezeption. Beginnende Popularität von Latour parallel zur weiter voranschreitenden Rezeption Benjamins und insbesondere des KWA. Entwicklung ANT, Entwicklung Projekt “Wir sind nie modern gewesen”, Horizont der Existenzweisen, in denen die Artikel zum Kunstwerk von Latour einzuordnen sind (das allein 30 Jahre!). Relationalisierung von Latours Beschäftigung und Benjamins Beschäftigung raumzeitlich. Problematisierung des Latour’schen Projekts der Nichtkritik bei gleichzeitiger anhaltender Kritik an den Humanities durch ihn. Lokalisierung des Grunds in der Ausrichtung auf “Science” wegen der Science Wars. Wurde hier nicht eine Existenzweise übersehen? Schließlich Öffnung der Perspektive für alienartigen Zugang zu den Humanities, die eine historiografische Beschreibung mit dem Instrumentarium der Moderne ermöglicht. Benjamin dabei (wie Latour, wenn auch aufgrund zeitlicher und methodologischer Nähe weniger) lediglicher Hersteller des epistemischen Produkts dieser Ja-Historiografie.

2015-08-13-Nacht

Spät schreibt er, aber er schreibt. Ich habe einen sehr produktiven Tag hinter mir, in dem ich vor allem weltliche Dinge ins Rollen brachte. Ich habe z.B. einen Stundenplan gebaut:

Die Quarters sind halbe Semester. Man schafft hier in Aarhus also vier Kurse in einem Jahr zu je ca. 5 ECTS. Zumindest auf dem Papier ein gutes System.

Habe die letzten Tage hauptsächlich in der Bibliothek verbracht und mit meinem Setup gerungen und bin jetzt wieder dort angelangt, wo ich einst loslief: Soll heißen ikiwiki. Aber sehr anders als zuvor. Ich will das bei Gelegenheit drüben bei EDIT vernünftig vorstellen.

Mir liegt das frühe Aufstehen erstaunlicherweise. Heute auch wieder. Ich stehe gegen 7 auf, mache mir Frühstück und Stullen für den Tag und mache mich auf den Weg. Ich bin selten nach 09:30 Uhr in der Bib. Zurzeit laufe ich noch die 30 bis 40 Minuten bis dorthin. Aber ich versuche mir ein Fahrrad zu organisieren. Laut meinem Buddy N. ist Fahrradfahren auch im Winter kein Problem.

Morgen gehe ich endlich zum Barbier und hoffe inständig, dass ich danach nicht weinen muss. Mit Barber’s in Berlin war ich immer so glücklich, hoffen wir, dass Aarhus Barber ebenfalls gut sein wird.

Ich habe außerdem meine Rückfahrt - mein Opa wird 80 und ich werde ein verlängertes Wochenende in Berlin sein - nach Berlin organisiert und bin jetzt stolzer Besitzer einer Bahncard 25 (denn für Auslandsfahrten kriegt man eh nur 25 Prozent…). Die finanzielle Lage ist dank der ersten Erasmusrate fürs Erste auch stabil, wenn auch - wie eigentlich immer in meinem Falle - prekär. Ich lebe mich so langsam ein. Ich weiß, wo ich Dinge einkaufen kann, wenn auch noch nicht alles, mir fehlt noch Zugang zu vegetarischen Produkten. Ich kann mich so langsam orientieren und die erste übermächtige Unsicherheit der Fremde ist auch überwunden wie es scheint. Damit einhergehend auch ein bisschen der Zauber. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass Dänemark zwar Fremde ist, aber in dieser Fremde viel liegt, was sich aus historischen Gründen mit meiner heimischen Umgebung verbinden lässt, es gibt hier nämlich ein bisschen deutsche Kultur dank der deutschen Minderheit.

Facebook ist mir bei der Orientierung und der Organisation der Dinge hier vor Ort eine große Hilfe. Es gibt viele Gruppen, die sich als nützlich und hilfreich erweisen, selbst wenn ich so gut wie nichts beizutragen habe.

Ich fühle mich, auch das sei zugegeben, noch etwas orientierungs- und ziellos. Ich organisiere, arbeite, schreibe und lese zwar den ganzen Tag, aber es scheint nur sehr schwerfällig voran zu gehen. Alles für das Leben hier muss mühsam recherchiert und dann durchgeführt werden, was mich vom Lesen und Schreiben abhält. Das gefällt mir nicht. Sollte ich einfach lesen und schreiben, bis das Leben an die äußere Schädeldecke klopft? Klopft es vielleicht schon und deswegen fühle ich mich wie in so einer Zwischenwelt? Zwischen lesen und schreiben und der Organisation des Lebens hier, die nicht gerade wenig Zeit in Anspruch nimmt, fällt es schwer zu entscheiden auf was ich mein ganzes Gewicht legen kann. Da es noch nicht losgeht mit dem Studieren, kann ich noch nicht absehen, wie realistisch meine Hausarbeitenpläne sind. Und sollte ich mir nicht auch die Stadt ansehen? Und dänisch lernen? Einen Sportkurs besuchen? Und natürlich: Leute kennenlernen? Letzteres passiert ohnehin, daran habe ich keinen Zweifel.

Kurz: Es geht voran, auch wenn die Organisation der Dinge viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt und ich außerdem nicht so viel Zeit mit lesen und schreiben verbringen kann, wie ich gerne wollen würde. Hinzu kommt, dass die nähere Zukunft bezüglich meiner verfügbaren Zeit hier in Aarhus ungewiss ist und es mir daher schwer fällt eine gewisse Ignoranz - die fürs unablässige Lesen und Schreiben nötig ist - gegenüber dem weltlichen Geschehen um mich herum vor mir selbst schwer verteidigen kann. Wenn ich mich jetzt bis zu den Ohren in die Geschichte Walter Benjamins stürze und dann feststelle, dass ich ab nächster Woche für nichts Zeit habe, außer den Kursen an der Uni, was habe ich dann gekonnt? Andererseits: Spielt das eine Rolle, wenn ich alles in mein neues Zettelkastensystem einpflege?

2015-08-10-Abend

Nachdem ich das Wochenende sehr ruhig anging und mich eigentlich kaum aus der Wohnung bewegte (war lediglich noch einmal einkaufen), machte ich heute eine größere Runde durch die Stadt: Zuerst gab ich meinen Mietvertrag beim International Center ab und wohne damit auch offiziell hier. Es ist immer noch seltsam in einem solchen, auf mich sehr teuer wirkenden, modernen Gebäude zu wohnen. Anschließend besuchte ich dann diesmal auch erfolgreich Løve’s Antikvariat und es stellt sich heraus, dass es erstens ein sehr schönes kleines Kellerantiquariat ist, dass zweitens immerhin zwei Regalbretter deutsche Bücher (und anderthalb Regale englische Bücher) im Angebot hat und drittens die deutschen Bücher zum größten Teil aus dem Bereich Avantgarde (z.B. Theorie der Avantgarde), kritische Theorie (z.B. Traditionelle und Kritische Theorie) und Marxismus (viel Brecht, wenn das zählt, etwa seine Gedichte) zu stammen scheinen. Das trifft sich sehr gut, schreibe ich doch gerade über Walter Benjamins Kunstwerkaufsatz eine Hausarbeit.

Die deutschen Regalbretter im Løve's
Die deutschen Regalbretter im Løve's

Toll war, dass es sich bei dem Antiquariat anscheinend um eine Kellerwohnung zu handeln schien, wie die Küche, die in den Öffnungszeiten ebenfalls Verkaufsraum war, verriet. Zu gerne hätte ich mit der Verkäuferin kurz darüber gesprochen, aber sie war ihrerseits ebenfalls in ein Gespräch mit einer Freundin wie mir schien vertieft und so machte ich mich - fürs Erste auch ohne Buch (denn sie waren nicht ganz billig, um die 100 Dänische Kronen und für den Preis muss wenigstens ein kurzes Gespräch rausspringen…) - auf den Weg.

Nächster Halt war die Statsbiblioteket. Hier ließ ich mir einen temporären Ausweis ausstellen. Temporär deshalb, weil ich noch keine sogenannten CPR-Nummer habe und ohne diese kann man im Prinzip nichts in Dänemark machen. Na ja fast nichts. Temporäre Ausweise für die zentrale Bibliothek in Aarhus kriegt man jedenfalls, wenn man nett fragt. Die Bibliothek erstaunt vor allem wegen ihrer verhältnismäßigen Kleinheit. Der Hauptgrund dafür liegt in der Absenz eines großen Präsenzbestandes zu suchen. Wie mir erklärt wurde, müsste man Bücher bestellen und könnte diese dann am nächsten Tag abholen. Das Fehlen eines Präsenzbestandes, der es ermöglicht thematisch ähnlich einsortierte Literatur durch schlichtes Orten des gesuchten Buchs ähnliche Bücher zu finden, das Fehlen dieser Heuristik, hat vermutlich interessante Folgen. Oder: Was wäre eine Bibliothek von der Query her gedacht? Die Querylogy, oder Theorie der Abfragesysteme von @spro ist m.E. eigentlich die interessanteste Sache, die seine Beschäftigung mit dem Netz zu Tage brachte. Für mich ist die Theorie der Abfragesysteme nicht nur wegen ihrer Theorie interessant, sondern vor allem für ihre These, dass das Zeitalter des Archivs sich seinem Ende zuneigt. Im Hinblick auf die Bibliothek in Aarhus, die einen konkreten Fall dieses Wechsels darzustellen scheint, darf man nicht vergessen, dass eine Behauptung, das Zeitalter des Archivs sei vorbei, keineswegs für alle Akteure stimmen kann. Irgendjemand muss die Bücher anschaffen, die Bücher müssen irgendwie untergebracht werden, der ganze Apparat der Verfügbarhaltung für Abfragen ist nichts weniger als ein Archiv, allerdings in etwas anderer Form. Ich kenne mich zu wenig in der Geschichte von Bibliotheken allgemein und mit der in Aarhus im Speziellen aus, um beurteilen zu können, ob diese “Speichertechnologie” (man könnte wohl auch hier Plattform sagen…) in ihrer Struktur sich verändert hat. Vergleicht man diese moderne Bibliothek jedenfalls mit dem kleinen Antiquariat, dass seine Bücher nach einer anderen Art verfügbar hält, dann können wir leicht einsehen, dass diese Differenzen durchaus zu beschreiben wären. Dass ich überhaupt einsehen und charakterisieren konnte, was das Antiquariat für eine deutsche Bücherauswahl hat, liegt nicht zuletzt an der Art der Verfügbarhaltung. “Von der Query her gedacht” hieße also hier: beide Bücherspeichertechnologien, so unterschiedlich diese Akteur-Netzwerke auch konkret aussehen, mag man sich auch als Abfragen an die Datenbank der Realität vorstellen - und warum auch nicht, ich spreche ja auch ständig vom Relationalismus -, man würde aber wahrscheinlich am Ende zu etwas kommen, was man wohl gut und gerne als “gespeicherte Suche” bezeichnen könnte. Kurz: Eine Auswahlstrategie, d.h. eine Query, die in irgendeine Materialität überführt, oder besser noch: an sie gebunden wird, eine Auswahlstrategie also, die irgendwie stabilisiert wird, stellt in der Sprache der Querylogy eine gespeicherte Suche und damit eine Speichertechnologie dar.

Jedenfalls bestellte ich mir sowohl Kierkegaards (siehe Abt. 38) als auch Hans Christian Andersens Tagebücher und außerdem die Junius-Einführung von Walter Benjamin und Theodor W. Adorno.

Der Ikea in Aarhus
Der Ikea in Aarhus
Eine Businformation in Aarhus
Eine Businformation in Aarhus

Anschließend machte ich mich auf den Weg zum IKEA. Mit dem Bus. Das ging auch alles. IKEA nahm mir fast die ganze Energie und außerdem eine Menge Geld ab, wobei man realistischerweise sagen muss, dass letzteres - ich kaufte ein paar Aufbewahrungssachen und außerdem eine Decke und ein Kissen, jeweils vom billigsten; alles etwa 350 DKR - in einem anderen Laden weit schlimmer ausgefallen wäre. Aber dafür war ich ja auch bei IKEA. Auf der Hin- und Rückfahrt beschäftigte mich hauptsächlich die Frage, wie man die gleichen Probleme - ein Jahr in einem fremden Land und es fehlt so ziemlich an allen Gegenständen des täglichen Bedarfs und darüber hinaus an intellektuellem und kulturellem Austausch - umgegangen ist. Wäre ich vor hundert Jahren in Aarhus angekommen, was hätte mich erwartet? Natürlich kam ich zu keinem Ergebnis, weil ich die Stadt ja noch überhaupt nicht kenne. Klar ist jedenfalls, dass ich sehr viel abhängiger gewesen wäre und wahrscheinlich im Antiquariat nachgefragt hätte, woher diese interessante Zusammenstellung kritisch-theoretischer Bücher herkam. Ich hätte mich fragen hören können: “Gehört zu dieser Zusammenstellung eine Person? Taucht diese hier öfter auf?” Und dann fiel mir auf, dass ich das ja auch heute machen kann, selbst wenn ich keineswegs so intellektuell ausgehungert bin, wie ich es vielleicht vor hundert Jahren gewesen wäre, dem Internet sei dank.

Nichtsdestotrotz scheint es mir wichtig Kontakte zu knüpfen. Ich schrieb also auch gleich mal an Matthias Heymann vom Center for Science Studies, um mich vorzustellen und verschiedene Dinge bezüglich meines Besuchs von Kursen in den Science Studies abzuklären und bekam prompt Antwort, dass ich doch gern mal vorbeikommen könne. Wird gemacht. Als ich vorhin zur Tür reinkam, traf ich außerdem auf meinen Mitbewohner M., der eine Australische Frohnatur zu sein scheint und dementsprechend angenehm gestaltete sich unser erstes Gespräch. Auch er bleibt ein Jahr. Wir redeten über unsere Bleibe, Australien, Deutschland und das Bildungssystem in den jeweiligen Ländern. Er ist 20! Ich denke, wir werden klar kommen und hoffe gleichzeitig, dass er es mit mir, einem etwas eigenbrödlerischen, aber trotzdem freundlichen Nerd, wird aushalten können.

Source: C:\fakepath\IMG_1686.jpg
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Morgen: Da die Bibliothek um 8 auf- aber schon um 17 Uhr zumacht, werde ich früh aufstehen und versuchen mir diesen Rhythmus gleich anzugewöhnen. Ohne Bibliotheksarbeit bin ich nämlich nichts. Ich werde mir Das Benjamin-Handbuch weiter zu Gemüte führen und auf die bestellte Tagebuchlektüre warten. Außerdem werde ich versuchen einzuschätzen, ob sich ein Dänisch-Kurs, den man hier kostenlos machen kann, lohnt, bzw. über dieser mir gut ins Konzept passt. Schließlich müssen eine Menge Kurse besucht und eine nicht unerhebliche Anzahl Hausarbeiten geschrieben werden. Vom darüber hinausgehenden Leseinteresse mal ganz abgesehen.

P.S.: Ach und jetzt habe ich gar nichts zu dem gesagt, womit ich mich am Wochenende hauptsächlich beschäftigt habe: Meiner Zettelkastenimplementation in DevonThink nämlich. Nun. Das wird nachgeliefert.

Source: C:\fakepath\IMG_1690.jpg
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