openmedi

2015-05-25-Nachmittag3

Schrieb auf Twitter:

  • "(Wie gut es mir geht, wenn ich mich gehen lasse, wenn ich so wach bleibe, wie es mir liegt, wenn ich so schlafe, wie ich es brauche.)" (q)
  • "(Ich bin kreativer, produktiver und weitsichtiger, je weniger ich an dieser Stelle Kompromisse mache.)" (q)
  • "(Muss ich mir merken: Optimierung auf eine Sphäre hin, die das ermöglicht, ohne dass ich darüber ständig verhandeln muss.)" (q)
  • "(Dafür ist dann aber wohl eine gewisse informationelle Asymmetrie vonnöten. Weil ansonsten jede_r und alle_s mich einbeziehen möchte.)" (q)
  • "(Eine Privat-Sphäre so rum gedacht gewinnt dann auch wieder an Relevanz für mich.)" (q)
  • "(Dazu wäre vielleicht wirklich mal was zu schreiben…)" (q)

"Wirklich" schreibe ich jetzt auch nichts, aber ich wollte darüber noch ein bisschen mehr nachdenken.

Es ist nämlich so, dass sich dieser Gedanke mit dem Gedanken der Stimulanzökonomie (siehe [[StimulanzOekonomie]]) gut zusammenbringen lässt: Je weniger Stimulanz, desto produktiver bin ich. Bringt man jetzt noch den Umstand dazu, dass Involviertheit sehr intoxikierend ist, kommen wir auf etwas Spannendes: Nämlich, dass es nötig ist die relative Indifferenz von Nichtmenschen zu nutzen, um damit die Stimulanz auf ein aushaltbares Maß zu begrenzen.

In einem anderen Kontext habe ich auf Twitter von "Einhegungen" gesprochen:

  • "Plattformen kann man auch als Einhegungen denken. Eingehegt werden Akteure. Gehege sind Regelgewebe. @mspro @sebgiessmann" (q)
  • "Warum wäre das interessant? Weil sie von Akteuren spricht. Und den Doppelcharakter (ermöglicht/verhindert) dieser Sphären verdeutlicht." (q)
  • "Einhegungen sind selbst nämlich mehr als Regelgewebe. Keine Regel/Selektion ohne Aufrechterhaltungsarbeit." (q)
  • "Und gleichzeitig ist klar, dass die Einhegung der Akteure eine Entfaltung dieser in anderer Weise ermöglicht, weil er bestimmte, …" (q)
  • "… sonst vielleicht näherliegende Assoziationen verhindert. Gehege sind also auch eine Art Schutz." (q)
  • "Das Internet wird also, wenn man die Metapher bemühen will, ein anarchistischer Zoo. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass …" (q)
  • "… der Aufenthalt in einem Gehege nicht ausschließlich oktroyiert wird." (q)
  • "In manchen Gehegen ist mehr los, in anderen weniger." (q)
  • "Der entscheidende Punkt hier: Metaphern des Orts bezüglich des Internet sind nur dann sinnvoll, wenn wir nicht in den Gehegen sind." (q)
  • "(Oder auf Plattformen stehen, for that matter.) Was im Gehege ist, ist ein mir zugehöriger Akteur (Profil oder Avatar)." (q)
  • "(Ich bin eben nicht viele. Aber ich habe viele. Avatare.)" (q)
  • "Dem folgend: Ein Staat kann sehr wohl Einhegung sein." (q)
  • "Symmetrisch-anthropologisch gedacht (everything has to be accounted for in the same way) spielt nämlich das Internet da gar keine Rolle." (q)
  • "Und deshalb bin ich ja auch so unzufrieden mit der Antwort @mspro eben genau auf diese Frage." (q)

(zur hier vorgeschlagenen Richtung aber ein andermal mehr)

Jedenfalls lässt sich mit Einhegungen sehr gut über das reden, was ich hier meine. Wenn man eine Privatsphäre als Einhegung betrachtet, dann wird deutlich, dass man hiermit im Sinne der Sphären Slotterdijks eine Lebensraum meint.[^1] Oder anders gesagt: Man umgibt sich mit verschiedenen gut kontrollierbaren Akteuren und interagiert mit diesen als Mediatoren mit dem Ziel, sich von der Außenwelt zumindest etwas, zumindest zeitweise abzukapseln. Die Einhegung sorgt für Emergenz (siehe [[VortragDigitalHumanities]], weil sie Reibung erzeugt. Und weil sie Zeit und Möglichkeit schafft innerhalb dieses Bereichs in selbstbestimmterer Weise - weil wir hier die Akteure in unserem Sinne diszipliniert haben - sich ganz bestimmten Akteuren zu widmen. Einem bestimmten Buch etwa, oder einem Akteur, der erst noch entstehen soll (einem eigenen Text). Oder etwas ganz anderem. Komisch wie sehr das an die kontrollierten Verhältnisse einer Experimentalanordnung erinnert… Deswegen nenne ich Einhegungen auch Versuchsaufbaue (siehe [[Versuchsaufbau]]).

Entscheidend ist, dass wir in jedem Moment unseres Lebens ständig in gleicher Weise von anderen Akteuren ins Spiel gebracht werden. Wir sind genauso Ressource, wie wir andere Akteure zu Ressourcen machen.

[^1]: Peter Sloterdijk, Sphären, Band 1: Blasen, Frankfurt (Suhrkamp) 1998. Es sei hier zugegeben und zugestanden, dass ich erst die ersten hundert Seiten von Slotterdijks Sphären gelesen habe.

2015-04-12-Nachmittag2

Erstaunlich wie lange es dauerte, ehe ich mir selbst eingestehen konnte, was ich in meinem Leben hauptsächlich machen will, machen kann. Lesen und Schreiben. Nicht programieren. Nicht Spiele. Lesen und Schreiben. Alles andere folgt. Es folgt daraus, dass daraufhin alles angelegt werden sollte und wird. Habe das Spielen vollständig eingestellt und lasse meine Spiele textlich stattfinden. Hole mir Dopamin jetzt übers Schreiben in sozialen Medien. Auch kaum noch Sport. Leider immer noch zu viel reddit. Zu viel toxische Stimulanz.

Ich glaube meine größte Angst war und ist etwas zu verpassen. Stelle aber auch vermehrt fest, dass wenn ich genau hinschaue, vieles gar nicht möchte. Selbstbestimmung, so gut es geht, ist wichtig. Biografisch habe ich diese Erkenntnis auch integrieren können: Seit der Jugend geschrieben, Schülerzeitung gegründet, Band gehabt (Lieder geschrieben), Medieninformatik studiert (weil ich Journalist werden wollte; Gamewriter wollte ich dann sein, weil das mit "Digitale Medien" gegangen wär'…), Medieninformatik abgebrochen (weil doch nicht meins), Geisteswissenschaft/Geschichte angefangen (lange Zeit mir selbst nicht genug eingestanden, dass Programmieren und Technik stets nur Krücke für den Wunsch zu schreiben war), zunehmend mehr Ahnung vom Feld, mehr Wissen und bessere Fähigkeiten im Ausdruck und habe bald auch Themen, Kann etwas sagen, was ein bisschen Aufmerksamkeit erregt, habe den Ehrgeiz. Aber leider auch depressiv, besoffen und zerrissen, da ich alles gleichzeitig sein wollte und daher unglücklich. Lasse das zunehmend. Mache das was ich mache und mache es gut. Werde auch dadurch menschlicher. Und nutze meine Zeit richtiger.

Also: Schreiben und Lesen schon immer wichtig, notwendig für mein Leben, mein Dasein. Unterbrochen von Fünf Jahren Selbstfindung, Zweifel, Depressionen und Ausprobieren anderer Dinge (die mich entweder nicht halten konnten, oder mich abstießen - manche Gruppen können mich nicht gebrauchen, und ich sie nicht). Aber es war und ist immer da. Mir gehen ja alle anderen Erfahrungen nicht verloren. Aber je mehr ich wieder zum Leser werde, je mehr ich mein Medium akzeptieren kann, desto besser wird es. Das in der jüngeren und mittleren Vergangenheit unbewusst als Unterströmung sowieso vorhanden. Aber zunehmend bewusst. Genieße das so sehr, dass ich andere daran positiv teilhaben lassen kann und teilhaben lasse (siehe [[NewRepublicOfLetters]]).

Ich muss gar nicht alles machen. Ich muss auch gar nicht alles kennen. Sondern nur der Nerd sein, der ich sein will. Nicht der Nerd, der von der Zeit verlangt wird (jedenfalls glaube ich das). Sehe daran auch Parallele zu Latour: Der ist sich stets treu geblieben und berührte auf seine Weise zunehmend verschiedene Lebensbereiche. Fand eine Möglichkeit seine Tätigkeit zu seinem Leben zu machen.

"Ziel einer Ausbildung ist es, den Studis den Prozess des “going native” zu ermöglichen. Soll heißen: Die Übernahme der Gepflogenheiten des wissenschaftlichen Stammes, der Community, der sich später einmal angehören sollen. Schwer “go native” in deutschen Texten zu verwenden, "kulturelle Anpassung" scheint aber nicht recht passen zu wollen."

(siehe [[2015-03-30-Nachmittag]])

Und ich muss Eingeborener in meinem eigenen Leben werden und es nicht aus einer virtuellen Entfernung betrachten. Mir ist mein eigenes Tun immer noch fern, immer noch ist da diese Sekpsis und diese Vorbehalte, als wenn ich es mir selbst noch nicht so richtig glaube, als wenn ich das Gefühl habe dafür gehänselt werden zu können oder - gleichzeitig stark - man mir bescheinigt ein Scharlatan zu sein. Und ich bins ja (jedenfalls habe ich zu wenig gelesen bis jetzt für das was ich alles sage)! Aber es geht nicht anders. Wissenschaft ist Experiment und Versuch und damit Risiko. Ohne Behauptungen, ohne Versuche ist da keine Möglichkeit des Neuen. Aber es fällt mir schwer das zu rechtfertigen. Und das wiederum ist unwissenschaftlich. Die Suche nach der Rechtfertigung hingegen - das ist Wissenschaft.

Und allem überschrieben ist die Moral. Immer und immer wieder.

P.S.: Ich sollte mal schauen, was mein Audio-Experiment "Schnipsel" eigentlich taugt. Das Unterbewusste wirkt stark in mir. Und ich hab nicht mal ne Freud-Einführung gelesen und weiß nicht wirklich wovon ich spreche. Und das ist unwissenschaftlich. Das Risiko einzugehen die Behauptung zu machen hingegen, ist wissenschaftlich. Usw.

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