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2015-07-24-Morgen

Eins ist klar: So etwas wie gestern kann ich nicht schreiben. Wie soll aus diesen Überlegungen jemals etwas Ansehnliches werden? Es wird darum gehen müssen, zukünftig besser nachvollziehbare Texte zu formulieren, bzw. darum einzusehen, dass man bestimmte Äußerungen noch nicht machen kann. Das Historiografie-Projekt ist noch nicht zu stemmen, weil ich dafür ja selbst erstmal beweisen müsste, dass ich Geschichte schreiben kann. Das muss das Ziel sein. Ich will solche Texte nicht mehr schreiben. Sie fühlen sich anfängermäßig und regelrecht selbstzerstörerisch an. Da dieses Journal öffentlich erscheint, muss ich außerdem auch darauf achten, wie das nach außen hin wirkt. Dass ich den Text gestern so veröffentlichte liegt auch nur daran, dass ich meine Texte eigentlich immer gleich veröffentliche, wenn ich ganz ehrlich bin. Und das ist nicht gut. Ich kann mich an eine Zeit im letzten Winter erinern, als ich in Ägypten war, wo ich zwei oder drei ganz gute Texte schrieb, die als Aufsätze tatsächlich eine gewisse Qualität hatten. Das was ich gestern veröffentlichte hingegen ist das Gebrabbel eines rotwangigen Jungspundes, der noch nicht weiß, was er sagt, weil er noch nicht weiß, was es noch zu sagen gibt. Mein Anspruch ist ein anderer.

Das hier zu veröffentlichten ist auf der anderen Seite natürlich trotzdem vollkommen in Ordnung, weil es mir ja genau um das möglichst öffentliche wissenschaftliche Arbeiten geht. Andererseits weiß ich nicht, ob die gestern formulierten Zeilen überhaupt noch etwas mit Wissenschaftlichkeit zu tun haben, oder ob ich mit diesen Formulieren nicht eigentlich ziemlich lächerlich aussehe. Das ist die große Gefahr mit dem öffentlichen Schreiben, vor allem wenn man wie ich keine Credentials hat: Es ist sehr leicht vorstellbar, dass man mir die Wissenschaftlichkeit des ganzen Unterfangens abspricht. Oder: Das ist meine Befürchtung. Wahrscheinlich ist es so, dass sich schlicht niemand für das Schlechte interessiert, was seinerseits aber auch eine gewisse Ähnlichkeit mit negativem Feedback hat: Man wird nicht ernst genommen, das eigene Gesagte hat kaum oder keine Bedeutung. In der Tat ist es so, dass das nicht Wahrgenommen werden immer dann ein Problem darstellt, wenn man selbst mit seiner Arbeit nicht zufrieden ist. Wenn also Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen. Und das ist gestern passiert. Und es passiert im Prinzip in der nächsten Zeit weiter. So ein blöder Text wie gestern ist eine geschlagene Wunde im Denken, die verschorft und schließlich mit der Zeit vernarbt. Diese Wunde ist es die mich das verbessen wollen lässt. Hätte ich diese kindlich-naive Brühe zur Historiografie gestern nicht verzapft, dann würde ich sie heute nicht gerne ungeschehen machen wollen und da das nicht geht, doch zumindest wieder gut machen.

Ich übertreibe natürlich offensichtlich ein bisschen. Es ist ja fast nichts passiert. Aber es ärgert mich doch sehr, wie wenig ich eigentlich weiß und wie viel Weg noch zurückzulegen ist, bevor ich unbescholten und im Angesicht meines eigenen Anspruchs einen Gedanken wie den Gestrigen unbescholten formulieren kann. Das ist auch für die Betrachtung von Privatsphäre interessant: Ein solcher Text in einem privaten Journal oder im Zettelkasten hätte niemals den gleichen Impact. Ich würde den Text unabhängig von seiner Öffentlichkeit als unfertig ansehen und mich sicher auch kritisieren, aber die Frage der Peinlichkeit und des Ansehens würde viel weniger laut anklingen. Das ist mit Sicherheit eine wichtige Differenz im privaten zum öffentlichen Schreiben.

Ansonsten brachte ich meine Mutter heute zum Flughafen. Sie fliegt in den Urlaub. Ich habe das Auto jetzt da und fahre heute Nachmittag zum Baumarkt um ein paar Umzugskisten zu kaufen und mich zu informieren, wie man Risse in Türen kittet. Kaufte heute OmniFocus 2 fürs iPad und schreibe diesen Text in iA Writer fürs iPad daneben liegt eine Print-TAZ, weil ich darauf irgendwie Lust hatte. Wenn man sich eine Zeitung oder ein Buch oder was auch immer als ein sehr endlichen und sehr monofunktionalen Rechner vorstellt, dann wird klar, warum diese Dinge so gut bis heute funktionieren: Die Möglichkeiten aber auch die möglichen Emergenzeffekte sind sehr begrenzt und das lässt einen - so man sich nicht vom Smartphone, usw. ablenken lässt - unterbrechungsfreier bei einer Sache bleiben. Monotasking dank Begrenzung der Plattform. Unterbrechungsfreiheit.

2015-07-14-Nachmittag

Ein paar Gedanken, die mir in den letzten Tagen kamen: Ich bin erstens nicht so geil oder klug oder informiert oder hart arbeitend, wie ich immer denke und meine Leidenszeiten sind deshalb vollkommen überzogen und realitätsfern (wird immer seltsamer überhaupt irgendetwas als fern der Realität zu bezeichnen, als gehöre Zweifel und Leiden nicht dazu). Andersrum sind sie das gerade nicht, denn ich lasse ja nicht gelten, über was ich informiert bin, sondern setze es voraus und verheimliche es gleichzeitig. All das blockiert, so scheint es mir jedenfalls, den Lernprozess. Nehmen wir als Beispiel meinen Essay zu Twitter.

Vermutlich schreibt man einen Essay nicht so wie ich. Was wir dort haben, ist ein mehr oder weniger interessanter Text, der noch komplett unbefußnotet ist. Es gibt keine Nachweise, keine Antizipationen durch andere Theorien. Ich habe nicht einmal nachgeschaut, ob nicht andere schon etwas Ähnliches versucht haben. Ich diskutiere nicht den Plattformbegriff und leite ihn nicht historisch her, ich erkläre Twitter nicht historisch, ich mache nicht explizit, dass es sich um eine ANT-Analyse handelt, bzw. handeln soll, wofür aber die Empirie fehlt. Die eingestreuten Beispiele, die nicht zufällig gewählt worden sind, schweben in der Luft.

Der Grund für all diese Dinge: Dass ich an manchen Stellen noch nicht genug weiß und der Text dann in dieser initialen Version nicht hätte erscheinen können (ein riesiges Problem für mich: einen Text initial produzieren) und dass ich an anderen Stellen voraussetze, dass man das dann ja schon verstehen wird. Wird man nicht. Wenn dieser Text also mehr sein will, als eine mehr oder weniger interessant lesbare Notiz, dann muss sie einerseits höheren Maßstäben genügen und andererseits darf ich nicht vergessen, dass der Text in dieser Form nicht fertig ist. Denn das ist er nicht. Kaum zu glauben, dass ich ihn beneihe als fertig angesehen hätte. Das fällt mir auch schwer: Umschreiben, neu schreiben. Iterieren und damit anderes weglassen.

[bin an dieser Stelle unterbrochen worden]

2015-04-12-Nachmittag2

Erstaunlich wie lange es dauerte, ehe ich mir selbst eingestehen konnte, was ich in meinem Leben hauptsächlich machen will, machen kann. Lesen und Schreiben. Nicht programieren. Nicht Spiele. Lesen und Schreiben. Alles andere folgt. Es folgt daraus, dass daraufhin alles angelegt werden sollte und wird. Habe das Spielen vollständig eingestellt und lasse meine Spiele textlich stattfinden. Hole mir Dopamin jetzt übers Schreiben in sozialen Medien. Auch kaum noch Sport. Leider immer noch zu viel reddit. Zu viel toxische Stimulanz.

Ich glaube meine größte Angst war und ist etwas zu verpassen. Stelle aber auch vermehrt fest, dass wenn ich genau hinschaue, vieles gar nicht möchte. Selbstbestimmung, so gut es geht, ist wichtig. Biografisch habe ich diese Erkenntnis auch integrieren können: Seit der Jugend geschrieben, Schülerzeitung gegründet, Band gehabt (Lieder geschrieben), Medieninformatik studiert (weil ich Journalist werden wollte; Gamewriter wollte ich dann sein, weil das mit "Digitale Medien" gegangen wär'…), Medieninformatik abgebrochen (weil doch nicht meins), Geisteswissenschaft/Geschichte angefangen (lange Zeit mir selbst nicht genug eingestanden, dass Programmieren und Technik stets nur Krücke für den Wunsch zu schreiben war), zunehmend mehr Ahnung vom Feld, mehr Wissen und bessere Fähigkeiten im Ausdruck und habe bald auch Themen, Kann etwas sagen, was ein bisschen Aufmerksamkeit erregt, habe den Ehrgeiz. Aber leider auch depressiv, besoffen und zerrissen, da ich alles gleichzeitig sein wollte und daher unglücklich. Lasse das zunehmend. Mache das was ich mache und mache es gut. Werde auch dadurch menschlicher. Und nutze meine Zeit richtiger.

Also: Schreiben und Lesen schon immer wichtig, notwendig für mein Leben, mein Dasein. Unterbrochen von Fünf Jahren Selbstfindung, Zweifel, Depressionen und Ausprobieren anderer Dinge (die mich entweder nicht halten konnten, oder mich abstießen - manche Gruppen können mich nicht gebrauchen, und ich sie nicht). Aber es war und ist immer da. Mir gehen ja alle anderen Erfahrungen nicht verloren. Aber je mehr ich wieder zum Leser werde, je mehr ich mein Medium akzeptieren kann, desto besser wird es. Das in der jüngeren und mittleren Vergangenheit unbewusst als Unterströmung sowieso vorhanden. Aber zunehmend bewusst. Genieße das so sehr, dass ich andere daran positiv teilhaben lassen kann und teilhaben lasse (siehe [[NewRepublicOfLetters]]).

Ich muss gar nicht alles machen. Ich muss auch gar nicht alles kennen. Sondern nur der Nerd sein, der ich sein will. Nicht der Nerd, der von der Zeit verlangt wird (jedenfalls glaube ich das). Sehe daran auch Parallele zu Latour: Der ist sich stets treu geblieben und berührte auf seine Weise zunehmend verschiedene Lebensbereiche. Fand eine Möglichkeit seine Tätigkeit zu seinem Leben zu machen.

"Ziel einer Ausbildung ist es, den Studis den Prozess des “going native” zu ermöglichen. Soll heißen: Die Übernahme der Gepflogenheiten des wissenschaftlichen Stammes, der Community, der sich später einmal angehören sollen. Schwer “go native” in deutschen Texten zu verwenden, "kulturelle Anpassung" scheint aber nicht recht passen zu wollen."

(siehe [[2015-03-30-Nachmittag]])

Und ich muss Eingeborener in meinem eigenen Leben werden und es nicht aus einer virtuellen Entfernung betrachten. Mir ist mein eigenes Tun immer noch fern, immer noch ist da diese Sekpsis und diese Vorbehalte, als wenn ich es mir selbst noch nicht so richtig glaube, als wenn ich das Gefühl habe dafür gehänselt werden zu können oder - gleichzeitig stark - man mir bescheinigt ein Scharlatan zu sein. Und ich bins ja (jedenfalls habe ich zu wenig gelesen bis jetzt für das was ich alles sage)! Aber es geht nicht anders. Wissenschaft ist Experiment und Versuch und damit Risiko. Ohne Behauptungen, ohne Versuche ist da keine Möglichkeit des Neuen. Aber es fällt mir schwer das zu rechtfertigen. Und das wiederum ist unwissenschaftlich. Die Suche nach der Rechtfertigung hingegen - das ist Wissenschaft.

Und allem überschrieben ist die Moral. Immer und immer wieder.

P.S.: Ich sollte mal schauen, was mein Audio-Experiment "Schnipsel" eigentlich taugt. Das Unterbewusste wirkt stark in mir. Und ich hab nicht mal ne Freud-Einführung gelesen und weiß nicht wirklich wovon ich spreche. Und das ist unwissenschaftlich. Das Risiko einzugehen die Behauptung zu machen hingegen, ist wissenschaftlich. Usw.

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