2015-09-07-Abend
Posted by martinopenmedi at 11:42 PM
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Klaus Kusanowsky,
Aarhus
- “Ich möchte nicht, dass es sich anfühlt, als ob das schöne, kleine Etwas da zwischen uns wegen gestern eine Stelle hat. Aber ich fürchte es.” (q)
- “Ich hoffe du weißt, dass es immer noch gut ist. Genießbar. Wir schneiden das raus.” (q)
Die Situation wird hier zunehmend schwieriger. Und ich kann nicht mal genau schreiben warum. Der Grund dafür ist, dass ich hier in Aarhus auf Dinge der persönlichsten Sorte gestoßen bin, die entweder ganz schrecklich-profan oder schön weitergehen werden. Und ich kann und will dazu keine Stellung in dieser öffentlichen Form mehr beziehen. Das Problem ist aber, dass mein Hirn bis zum Bersten mit Gedanken dazu gefüllt ist. Was tun? Sich rausschreiben. Rauskratzen.
Rauskratzen. Leer machen. Platz schaffen. Wieder Atmen machen. Es wird alles immer dünnwandiger. Vielleicht ist das gut. Ich beginne Bestimmtes wieder zu verabscheuen, weil ich ihm ausgesetzt bin, sein muss. Es ist so viel einfacher aus der Position des Nichtteilnehmers. Es ist demnach eine Frage der Stimmung. Und die Möglichkeit der Herstellung der Stimmung. Eine Frage der Möglichkeit der Registrierung der Stimmung und des Ergreifens der Freiheit. Brückenbau. Irgendwie. Aber anders. Im Sinne der kleinen Transzendenz.
Kann mir nicht mehr vorstellen, wie man wissenschaftlich sein kann. Wie soll das gehen? Wenn man fühlt? Roh ist? Wohin mit all dem? Gibt es mich in der Wissenschaft? Ist so etwas wie ich dort möglich? Oder verbanne ich mich ob des Typs, den ich abgebe notwendig selbst? Gedacht hier als Strukturargument: Ist es möglich emotional, roh, zu sein. Und das zu verwenden? Was ich meine: Kann ich denn, ohne es zu erwähnen, überhaupt aufrichtig öffentlich wissenschaftlich Journal führen? Und noch viel schlimmer: Wenn das unmöglich, ist dann Arbeit über andere Wissenschaftler_innen möglich?! Ich kann ja fühlen wie signifikant das alles ist! Also bei anderen auch? Oder wieder mal nur ich? Und wenn das nicht geht, wenn das unmöglich ist, dann haben wir hier schon das Ende der Fahnenstange erreicht. Daran gibt es dann aber auch nichts mehr zu deuteln, lediglich empirisch zu unterfüttern. Bricht mein Projekt des Ja-Sagens nachher an dieser Stelle? An der Unmöglichkeit etwas zur Liebe zu sagen? Diese Offenheit des Hineinragens in die Welt ist möglicherweise nur möglich, wenn man dabei sozusagen an dieser Stelle für eine Weile unberührt bleibt. Es ist die Möglichkeit der Verbindung an dieser Stelle, die für eine Weile unbesetzt bleiben muss, die die Möglichkeit für weniger einnehmende Assoziationen ermöglicht. Und wenn darüber aber bis auf diese ausweichenden Worte (und man kann sich ja die verschiedenen Permutationen vorstellen, die eine Explikation nötig machen würden) nichts sagbar ist, dann wäre zu beschreiben, warum dem so ist (Kartierung des Akteur-Netzwerks), was aber unmöglich ist. Weil man nicht allein darüber verfügen kann. Und ich meine damit nicht die Heuristik der klassisch definierten Privatsphäre (siehe hier für meine Reformulierung der klassisch definierten Privatsphäre). Sondern das Fehlen von Handlungsmacht, bzw. der Herstellung von dieser. Dabei gedacht als Existenzweise. Manches bleibt unübertragbar. Die Verfügbarmachung der Evidenz des Mangels dieser Art der Handlungsmacht geht erst nach dem Tod, was für Historiker_innen einen Trost darstellt, solange jene über die man forscht genügend geheime Spuren hinterlassen (hier gemeint als innerhalb von spezifischen Einhegungen produziert; etwa Day One). Kann das aber hier nicht formulieren. Nicht jetzt…
Besonders groß auch der nicht wegzubeschreibende Ärger über das bisher unterirdische Niveau der universitären Lehre hier. Wenn das die Art und Weise ist, wie sich die Humanities an anderen Unis selbst abschaffen, dann wundert es mich kein bisschen. Ich merke an mir selbst die zunehmend schwieriger bekämpfbare Ungehaltenheit mit der Arsch-nicht-in-der-Hosehabigkeit in diesem Bereich. Und bewundere zunehmend die Scheißegalhaltung bezüglich der Vermittlung etwa der Literaturwissenschaft an meiner Uni. Es ist als hätte man mich schließlich doch noch richtigrum orientiert. Frage mich andererseits aber trotzdem wie die fehlende (geachtete) Theorieproduktion über deutsche Grenzen hinweg zustande kommt, wenn Berlin doch eindeutig zwei bis dreimal so anspruchsvolle Seminare macht. Auch wenn das alles noch zu wenig ist: Es ist wenigstens tausendmal mehr als an anderen Unis. Und dieses verfickte System… am meisten stört mich, dass wir, die wir uns sorgen, hauptsächlich vorher aussortiert werden oder - etwa im Falle @kusanowskys - sich mehr oder weniger vollständig davon zu emanzipieren suchen. Man fragt sich wie zu rechtfertigen ist, dass man sich so umfänglich mit etwas auseinandersetzt, wenn man am Ende es weder vermittelt (nicht nur an Lehre denken, hier…), noch teilen kann (was zwei unterschiedliche Dinge sind). Man schreibt sich selbst in die Unmöglichkeit des Unterfangens von besseren Humanities ein. Das ist trotzdem kein “für oder gegen uns”-Argument. Es versucht lediglich die fast übermenschliche Unmöglichkeit guter Lehre zu skizzieren. Ich hasse in Abhängigkeit jener zu stehen, deren Hauptinteresse nicht Lehre ist und die gleichzeitig ihr Produkt nicht entlang meiner Interessentlinien (denkt an Magnetfelder) ausrichten. Und aus dem Weg gehen sie nicht. Weil das hieße ja eben Emergenz schon in der Lehre zuzulassen. Es schwingt hier sicher auch eine Menge Senioritis mit. Aber da ist mehr.
Auch scheint es mir im Hinblick auf Thalassophobie sinnvoll die Unterscheidung von Oberfläche und Tiefe auf seine Nützlichkeit hin zu untersuchen.
Muss jetzt mal aufhören. All diese Worte sind bloßes Rauskratzen. Sich selbst schreiben machen. Es ist auch hier das Problem der Unterbrechungsfreiheit:
”Ich denke viel über Lethargie und Anfänge und Verzögerungen und Unterbrechungen nach. Und komme zu dem Ergebnis, dass das alles zusammengehört: Da jeder Neuanfang schwer fällt und jede Unterbrechung einen Neuanfang nötig macht - jedenfalls, wenn das was unterbrochen wird, wichtig ist - dann ist es am besten möglichst unterbrechungslos zu existieren. Deshalb will ich gern diese Zwischenzustand, in dem so viele unterschiedliche Dinge zu erledigen sind, hinter mir lassen. Oder genauer: Ich möchte, dass der Zustand nicht ist.”
Trifft auch jetzt zu.
2015-09-03-Nachmittag
Gerade frisch aus der Einführung zu meinem ersten Kurs “Understanding International and Global History“, der mich überrascht zurücklässt. Und ich schätze, dass das gut ist. Die ersten 90 Minuten gingen für eine Vorstellungsrunde - wir waren etwa 10 Leute - und die Diskussion einer gestellten Diskussion drauf, die sich die Frage stellte, was denn transnationale Geschichte nun sei.[^1]
Es passiert eigentlich immer dasselbe, wenn ich mich vorstelle. Ich sage, dass ich Geschichte der Wissenschaften und Technik studiere, mich innerhalb des Feldes für die Geschichte der Botanik begeistern kann, mich darüber hinaus für Historiografie und für die Geschichte der Theorie interessiere. Und das alles aus einer ANT-Perspektive heraus. Dann wird geraunt im Raum und diejenigen nach mir lachen entweder eingeschüchtert oder wollen am liebsten gar nichts sagen. Zumindest sind sie beeindruckt. So auch diesmal. Mich erfüllt das mit einer diffusen Mischung aus Stolz und Verwirrung, weil das reine Aufsagen von Interessen noch keine Reaktionen dieser Art nach sich ziehen sollten. Aber, dass das in dieser Weise passiert, lässt in mir trotzdem den Eindruck entstehen auf dem richtigen Weg zu sein.
Die eigentliche Diskussion des Textes, den ich vorher gelesen hatte, das war aber nicht verpflichtend, funktionierte nach folgendem, mir bisher unbekanntem, Modus: Wir wurden in Zweierpärchen eingeteilt und uns wurde ein_e Teilnehmer_in aus der Diskussion zugeteilt. Danach hatten wir eine halbe Stunde die jeweiligen Kernthesen bezüglich transnationaler Geschichte herauszuarbeiten. Schließlich stellten wir unsere kurzen Ausarbeitung in ca. 5 Minuten vor, wobei die soziale Ordnung hier interessante Effekte zeitigte: Vorgestellt wurde nämlich nicht zum Plenum hin, sondern zur Lehrperson, die ihrerseits die jeweiligen Beiträge abschließend kommentierte, was eigentlich immer darauf hinauslief, dass sie “ja, aber…” antwortete. Dies wiederum sicherte ihr die Autorität im Raum, weil auf diese Weise das letzte Wort immer zu Gunsten der Lehrperson ging. Ich versuchte die Sache ein wenig aufzulockern/zu testen, in dem ich die Interpretation der gemachten Punkte im Hinblick auf ihre sozial ordnende Bedeutung innerhalb der Community der Transnationalen Historiker_innen zu betonen versuchte[^2], denn das musste notwendig auch die Lehrperson, die ja Teil dieser Community war, herausfordern. Dies funktionierte nicht so recht. Die Argumente wurden im Prinzip auch wieder durch “ja, aber”-Sagen abgewiesen. Interessant war aber, dass die Diskussion, die ich mit meinem_r Partner_in hatte, bevor wir die Sache vorstellten, mitgehört und für die “kanonische Bedeutungskonstruktion”, wie ich das hier mal provisorisch nennen will, verwendet wurde.
Das Ergebnis dieses Vorgangs war im wesentlichen eine sehr effektive, sehr hermeneutische (jedenfalls von der Gestik her) Herangehensweise, die im Vergleich zu den von mir gewohnten Berliner Verhältnissen wesentlich weniger offen und wesentlich weniger anspruchsvoll war. Die Spielregeln der Diskussion hatten zur Folge, dass alle etwas sagen mussten und das war dank der Übersichtlichkeit der Aufgabe auch möglich.
Ich geb’s zu: Wenn das die Art und Weise ist, wie sich der Kurs hier darstellen wird, dann werde ich mich vermutlich eher langweilen. Gut und herausfordernd hingegen ist das Lesepensum. Dadurch, dass wir wöchentlich sechs Stunden lang gemeinsam verbringen werden, kann man eine Menge Stoff durchnehmen, was wiederum bedeutet, dass eine Menge Stoff vorbereitet werden muss.
- Folgendes Lesematerial wird für Feldneulinge empfohlen:
- Anthony Best et al.: International History of the Twentieth Century, Routledge (2004), pp. 1- 184.
- Folgende Bücher sind soweit ich das sehen kann Pflichtlektüre
- Akira Iriye: Global and Transnational History. Past, Present, Future, Palgrave Pivot 2012
- Robert R. Jackson and Georg Sørensen: Introduction to International Relations. Theories and Approaches, Oxford University Press, 5th edition 2012
- Diese Texte sind außerdem zum jeweiligen Datum zu lesen
- Patrick Finney: “Introduction: What is international history?” in Patrick Finney (ed.): Palgrave Advances in International History, Palgrave Macmillan, 2005 pp. 1-35
- Sally Marks: The Illusion of Peace. International Relations in Europe, 1918-1933, Macmillan Press 1976 (book available from ‘semester shelf’ in the Nobel library); Please focus your reading on chapters 1, 2 and 6 (pp. 1-54, 137-46).
- Zara Steiner: The Lights that Failed. European International History 1919-1933, Oxford University Press, 2005, pp. v-x (preface) and 1-11 (prologue)
- Susan Pedersen: “Back to the League of Nations”, American Historical Review vol. 112, no. 4, 2007, pp.1091- 1117
- Patricia Clavin: Securing the World Economy. The Reinvention of the League of Nations, 1920-1946, Oxford University Press, 2013, pp. 1-10, 341-51
- Pierre-Yves Saunier: ‘Transnational’, entry in: Pierre-Yves Saunier and Akira Iriye (eds.): The Palgrave Dictionary of Transnational History. From the mid-19th Century to the Present Day, Palgrave Macmillan, 2009, pp. 1047-1055
- Kiran K. Patel: “”Transnations” among “Transnations”. The Debate on Transnational History in the United States and Germany”, Harvard University Center for European Studies Working Paper Series 159/2008
- Ann-Christina L. Knudsen and Karen Gram-Skjoldager: “Historiography and Narration in Transnational History”, Journal of Global History, vol. 9, no.1, 2014, pp. 143-61
- Ann Christina L.-Knudsen and Karen Gram-Skjoldager: “An Introduction” in Living Political Biography. Narrating 20th Century European Lives, Aarhus University Press (2012), pp. 13-30
- Bruce Mazlish: “An Introduction to Global History”, in Bruce Mazlish and Ralph Buultjens (eds.): Conceptualising Global History, Boulder: Westview Press, 1993, pp. 1-24
- Kenneth Pomeranz “Review by Kenneth Pomeranz” in The International History Review, Vol. 28, No. 1 (March 2006), pp. 167-170.
- Patrick O’Brien “Historiographical traditions and modern imperatives for the restoration of Global history” in Journal of Global History, 1 (2006), pp 3-39.
- earlyamericanists.com
- imperialglobalexeter.com
- imperialandglobal.exeter.ac.uk of-global-history-courses/
- Erez Manela. “Dawn of a New Era: The “Wilsonian Moment” in Colonial Contexts and the Transformation of World Order, 1917-1920”, in: Sebastian Conrad and Dominic Sachsenmaier (eds.): Competing Visions of World Order, Palgrave Macmillan, 2007
- Andrew Arsan, Su Lin Lewis and Anne-Isabelle Richard: ”Editorial – the roots of global civil society and the interwar moment”, Journal of Global History, vol. 7, no.2, 2012, pp. 157-165
- John Lewis Gaddis: “History, Theory and Common Ground”, International Security, Vol. 22, No. 1, Summer 1997, pp.75-85
- Robert Jackson and Georg Sørensen: Introduction to International Relations: Theories and Approaches, Oxford University Press, (4th edition, 2010/5th edition 2012), pp. 28-180 in the 2010 edition/pp.32-178 in the 2012 edition (focus on chapters on realism, liberalism and post-positivist approaches (chapter numbers differ between the two editions))
Die Bewertung des Kurses funktioniert dabei nach dem Prinzip der Beantwortung eines Examensfrage im Umfang von 15 Seiten. Die Antwort muss innerhalb von sieben Tagen eingereichte werden.
Einen weiterer Kurs im gleichen Umfang, bei der gleichen Lehrperson, werde ich ab Oktober besuchen. Es wird ein stressiges Semester, wenn man bedenkt, wie schwierig derzeit noch die Einrichtung und Durchhaltung von Routinen ist.
Mir gefällt das alles nicht wirklich. Hinzu kommt das schlechte Gewissen, dass ich wenigstens noch die BenjaminLatour-Arbeit schreiben und auch eine mündliche Prüfung am Ende Semesters in Berlin machen muss. Mal ganz davon abgesehen, dass mich es gerade mal wieder zerreißt.
Gestern hatte ich Geburtstag und habe mit einer guten, guten Freundin - wenigstens das lässt sich jetzt schon behaupten - dem historischen Start des ersten dänischen Astronauten Andreas per Livestream im Søauditorierne beigewohnt. Medien waren da und eine Menge Leute. Früh musste ich aufstehen: 03:30 Uhr hatte der Wecker geklingelt. Meine Unfähigkeit Dänisch zu verstehen führt dazu, dass ich mich allein auf die Bilder konzentrieren konnte. Immerhin war der Livestream, die 15 Minuten, die ausschließlich dieser gezeigt wurde, in Englisch. Was mir dabei mal wieder klar wurde:
Wie ungemein seltsam mein Feld (STS oder Science Studies oder was immer ich auch mache…) eigentlich ist. Wie ist es möglich, dass ich mich intelligent zu wissenschaftlichen Entwicklungen äußern kann, obwohl ich selbst kein Astronom bin? Und was bedeutet meine Beschäftigung eigentlich? Warum sollte sich irgendjemand dafür interessieren? Möglicherweise findet man ein Interesse lediglich vor, aber wer weiß? Es erstaunte und erschreckte mich gleichermaßen, wie diese spezielle Situation das Projekt einer Anthropologie der Moderne, zwar nicht in Frage stellte, doch aber mir plötzlich gegenüber der hier gezeigten Wissenschaftskultur bewusst wurde. Soll heißen: Die relationale Beschreibung ist zu unterscheiden vom zu Beschreibenden. Mit Latour fliegt man nicht zur ISS. Aber man versteht besser wie es geht, wenn mir diese hermeneutische Wendung hier erlaubt sei. Ein interessantes Paradox. Die ganze Veranstaltung erinnerte mich daran, wie sehr ich mir die Realität der jeweiligen wissenschaftlichen Welt immer wieder vor Augen halten muss.
Folgendes schrieb ich an meine Großeltern:
”Liebe Hähnels: Ein kleiner Schritt für mich, ein großer Schritt für die dänische Menschheit. Ich bin - an meinem Geburtstag! Und das als Eule! - 03:30 Uhr aufgestanden um einem wissenschaftshistorischen Moment beizuwohnen. Heute wurde nämlich nicht nur ich ein Jahr älter, sondern außerdem der erste Mensch dänischer Nationalität mit einer Rakete vom Typ Soyuz TMA-18M vom kasachischen Baikonur Kosmodrom, dem größten Raketenstartplatz der Welt, um 04:37 und 43 Sekunden Ortszeit (06:37 Aarhuser Zeit) gemeinsam mit einem kasachischen und einem russischen Kosmonauten in den Weltraum geschossen. Andreas Mogensen wird zwei Tage in der Kapsel auf Kontakt mit der Raumstation warten und anschließend auf der ISS 8 Tage verschiedene Experimente durchführen, bevor es wieder zurück geht. Ich war mit einer Freundin also wie gesagt in aller Herrgottsfrühe im Søauditorierne der Aarhuser Universität um einer Liveübertragung des Ereignisses beizuwohnen. Es war toll. Ich habe bei den vielen Kleinsvorträgen zwar nur Smørrebrød verstanden, aber die Bilder sprachen für sich (und zumindest der unmittelbare Start wurde auf Englisch kommentiert). Ein tolles Erlebnis, dass vielerlei Gedanken und Gefühle in mir auslöste, die ich erstmal setzen lassen muss, bevor ich sehen kann, was dort aufgewirbelt wurde. Ich hoffe es geht euch gut. Mir geht’s sehr. Liebe Grüße, ich denke an euch Martin”
Abends dann buken wir, d.h. neu gemachte Freunde von mir, die erstaunlich gut zusammenpassten (Schicksalsgemeinschaft; aber darüber hinaus wurde hauptsächlich herzlich gelacht und sich wirklich aufeinander eingelassen) und ich Pizza gemeinsam und das war sehr schön. Es ging länger als erwartet, was immer ein guter Indikator ist. Mit meinen 29 Jahren bin ich allerdings mit ziemlichem Abstand der Älteste. Nicht nur in dieser Gruppe, sondern insgesamt unter den internationalen Austauschstudis. Mich stört das nur, wenn ich daran denke, dass all das Positive hier auch schon früher hätte geschehen können, wenn ich nicht drei Jahre in Bremen herumgepimmelt hätte. Aber das sucht man sich ja nicht wirklich aus.
Sorgen bereitet mir so einiges:
- Ich genieße die Zeit hier sehr
- Mein schlechtes Gewissen ist groß
- Das liegt daran, dass es finanziell kurz und mittelfristig eher düster aussieht und eine Chance auf Besserung einzig darin besteht den Master in 2016 abzuschließen
- Ich fühle mich intellektuell unter- und bezüglich dem Folgen von Autorität überfordert
- Was ich meine: Ich will diese andere Lehrkultur ernst nehmen und verstehen lernen, aber es bereitet mir doch einige Schmerzen
- Ich spüre meine “Senioritis” stark
- Ich spüre und sehe mein Alter
- Ich kann meinen eigenen Ansprüchen unter dem hier herrschenden Regime nicht gerecht werden
Und all die schlechten Sachen wiegen die guten nicht auf, umgedreht aber leider auch nicht. Und so schwebe ich irgendwo dazwischen. Ich bin also hauptsächlich glücklich, bzw. kann mich so schätzen. Es bleibt aber ein Glück “with strings attached”.[^3]
[^1]: C. A. Bayly u. a., AHR Conversation: On Transnational History, in: The American Historical Review, 111/5, 2006, 1441–1464.
[^2]: Steven Shapin, Simon Schaffer, Leviathan and the air-pump: Hobbes, Boyle, and the experimental life, Princeton, N.J (Princeton University Press) 2011, S.: xlix - “Leviathan and the Air-Pump was an attempt to see the problem of knowledge and the problem of order as the same problem. Wherever and whenever groups of people come to agree about what knowledge is, they have practically and provisionally solved the problem of how to array and order themselves.”
[^3]: Hier ganz ausgeklammert die schreckliche und unhaltbare Flüchtlingssituation in Europa und Deutschland. Der gewaltsame Rechtsruck in meinem Heimatland. Wie ich im ersten Aarhus-Eintrag schon sagte: “Im Hinblick auf die nächtliche und sehrfrühmorgendliche Fahrt hier her, mit ICE, Regional Express, Regional Bahn, Bus und einem dänischen, sehr angenehmen LYN (was wohl für “Blitzschlag” steht) bekam ich den etwas pelzigen Geschmack nicht ganz vor der Zunge, dass es sich hier um ein exklusives und (zu?) gut verteidigtes Fleckchen der Festung Europa handelt: POC wurden von uns übrigen Reisenden getrennt. Es wurden Pässe verlangt. Mein Eindruck war: Nicht alle durften weiterreisen. Es waren Familien mit Kindern darunter! Ich selbst stand dem so machtlos gegenüber, wie ein Stück Vieh, dass seinen nächsten LKW auf dem Weg zur Wurstfabrik (= Stufe auf der Karriereleiter = Auslandssemester = Qualifikation für späteres Arbeiten im wissenschaftlichen Beruf) erreichen muss und daher all diese schemenhaften Eindrücke überhaupt nicht empirisch fixieren kann. Ich fühlte mich in dieser gespenstisch uneindeutigen Mélange aus komplizierten Gefühlen und unklaren Impressionen an Children of Men erinnert.”
2015-09-01-Abend
Proposal for Project in Science Studies
I would like to examine two (or maybe three) different very important locations for the history of botany. Namely:
- Kew Gardens near London
- The Jardin du Roy and the Muéum d’Histoire Naturelle (both in Paris)
- (that’s a maybe and I didn’t incorporate it in my proposal here) The “Botanischer Garten und Botanisches Museum” in Berlin
What I would like to find out is, if and how these botanical gardens and museums worked, how they differed in their approach as regards to the gift economy that is thought of as central to the botanical world of Linnaeus and after.[^1] I think it would be very interesting to look at the history of botany in the age of the moderns, because this offers us a fruitful venue for all sorts of questions pertaining to the enlightenment and the concept of nature, power and imperialism, globalization and western exceptionalism, science and materialism, sexuality in early modern europe and so much more. As regards to the actual writing of history, the history of botany enables historians of science to work transnationally, actor-network oriented, anthropologically and epistemologically (in the sense of historical epistemology).[^2] Basically the whole “settlement of the moderns” can be described from a botanical angle, which makes it a very useful tool to historiographicaly examine the socialogical and philosophical description that Bruno Latour proposed in the beginning of the 1990s and reformulated in a very useful way just recently with his "An Inquiry of Modes of Existence".[^3]
Since this topic is much to broad (it’s more of a field, really), I’ve tried to limit it to a very specific subtopic, which will not necessarily be that innovative, but hopefully interesting enough to warrant independent work.
I would like to compare and contrast the two institutions of modern botanical science on the basis of three books and maybe a handful of articles.[^4] Here are the three books:
- Richard Harry Drayton, Nature’s government: science, imperial Britain, and the „Improvement“ of the World, New Haven (Yale University Press) 2000.
- E. C. Spary, Utopia’s garden: French natural history from Old Regime to Revolution, Chicago (University of Chicago Press) 2000.
- Londa L. Schiebinger, Claudia Swan (Hg.), Colonial botany: science, commerce, and politics in the early modern world, Philadelphia (University of Pennsylvania Press) 2005.
If we would think of this project as a preliminary to my stated bigger topic, we could unterstand this proposed effort as an initial sampling of how botany and botanical gardens in imperial Britain and France would’ve looked in the past, how they worked, who was involved, and so on. This investigation could also double as a sampling of (more or less) recent english language historiography in the field.
Timeframe
The timeframe for the project would be this and the next quarter. I would divide my workload as follows:
- End of September 2015: Reading drayton2000
- writing about five pages on the book: main topics, important findings, etc.
- discussing the book with you
- End of October 2015: Reading spary2000
- writing about five pages on the book: main topics, important findings, etc.
- discussing the book with you
- End of November 2015: Reading schiebinger2005
- writing about five pages on the book: main topics, important findings, etc.
- discussing the book with you
- Mid of December (before Christmas): Finishing a preliminary sketch of the report (about 10 pages, will probably more look like an outline), also finishing any additional reading on the subject, that I deem important
- discussing my findings with you
- End of December until end of January: Finishing the report (~30 Pages)
- further discussions, if needed
[^1]: Staffan Müller-Wille, Nature as a Marketplace: The Political Economy of Linnaean Botany, in: History of Political Economy, 35/Suppl 1, 2003, 154–172.
[^2]: Hans-Jörg Rheinberger, On historicizing epistemology: an essay, Stanford, Calif (Stanford University Press) 2010 (Cultural memory in the present).
[^3]: Bruno Latour, We have never been modern, Cambridge, Mass (Harvard University Press) 1993. and Bruno Latour, An inquiry into modes of existence: an anthropology of the moderns, Cambridge, Massachusetts (Harvard University Press) 2013.
[^4]: I will reserve the right to use more books and articles.