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2015-05-31-Nachmittag

Mit Blick auf die AlienAnthropologie von gestern, dachte ich gerade, dass wir uns Aliens als "die, mit denen wir nicht kommunizieren können" vorstellen. Warum eigentlich?

Oder anders: Fremd ist uns, was schlecht mit uns kommuniziert. Das mag gar so weit gehen, dass es überhaupt nicht mehr kommuniziert. Es handelt sich also um eine Skala. Wie der Standpunkt der strukturalistischen Forschungsprogramme oder zumindest jener, die auf Shannon/Weaver aufsetzen (Kittler), zu definieren wäre, müsste man sich mal anschauen. Von wo spricht man, wenn man behauptet nichts zu verstehen und lediglich zu beschreiben? Dass darin eine Frische, ein Auffrischungspotential für die Geschichtsschreibung steckt, sehe ich vollständig ein (man sehe sich das Feld der "Digital History" an und vorher: Geschichte als Biologie, Geschichte als Semiotik, Geschichte als Geografie, usw. usf.). Aber wie bleibt man dieser Bewegung treu? Soll heißen: Wie bezahlt man den vollen Preis für diese Distanzierung, wenn sie nicht nur scheinbar sein soll? Der Vorgang, der neue Nähe durch Distanzierung schafft ist nicht leicht herauszulösen, aus der Historie.

Mit Blick auf die Aliens: Da wir hier nicht tricksen können, da wir am Anfang der Untersuchung nur materielle und (uns an-)schweigende Artefakte zu greifen bekommen, wäre erstmal zu zeigen, dass eine Anthropologie ohne Informant_in überhaupt möglich ist. Wie bringt man Artefakte unter diesen Umständen dazu zu sprechen?

Und ist sprechen dann noch das richtige Wort? Wieso erinnert das alles an Hermeneutik, wenn doch die 1960er-Jahre und folgende Jahrzehnte gezeigt haben wollen, dass ein solches "sich Einfühlen" unmöglich, unnötig und gestrig ist? Ich müsste mein Wissen über Hermeneutik und Dekonstruktion mal ausbauen, um zu wissen, was eigentlich was meint, aber das lässt sich vielleicht jetzt schon sagen[^1]:

Wir treten allem, selbst dem Fremdesten, selbst dem "unvorstellbarsten Vorstellbaren" gegenüber, in dem wir Koexistenz anstreben. Koexistenz kommt zustande, in dem Korrespondenz betrieben wird und das heißt, kurz gesagt: Es wird kommuniziert. Allerdings immer unter dem Vorzeichen des Vorfristigen (d.h.: Wir testen). Nur ist dann schon wieder die Brücke geschlagen zwischen "bekannt" und "unbekannt", zwischen "Nähe" und "Ferne", zwischen "Uns" und den "Aliens".

Kurz: Keine Berührung, egal wie vermittelt, lässt unberührt. Wäre aber das nicht gerade die Voraussetzung für Alien-Anthropologie?

[^1]: Hier eine Wendung aus einem Gespräch mit L. aufnehmend, nämlich der, dass etwas miteinander "korrespondieren" kann.

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