2015-09-07-Abend
- “Ich möchte nicht, dass es sich anfühlt, als ob das schöne, kleine Etwas da zwischen uns wegen gestern eine Stelle hat. Aber ich fürchte es.” (q)
- “Ich hoffe du weißt, dass es immer noch gut ist. Genießbar. Wir schneiden das raus.” (q)
Die Situation wird hier zunehmend schwieriger. Und ich kann nicht mal genau schreiben warum. Der Grund dafür ist, dass ich hier in Aarhus auf Dinge der persönlichsten Sorte gestoßen bin, die entweder ganz schrecklich-profan oder schön weitergehen werden. Und ich kann und will dazu keine Stellung in dieser öffentlichen Form mehr beziehen. Das Problem ist aber, dass mein Hirn bis zum Bersten mit Gedanken dazu gefüllt ist. Was tun? Sich rausschreiben. Rauskratzen.
Rauskratzen. Leer machen. Platz schaffen. Wieder Atmen machen. Es wird alles immer dünnwandiger. Vielleicht ist das gut. Ich beginne Bestimmtes wieder zu verabscheuen, weil ich ihm ausgesetzt bin, sein muss. Es ist so viel einfacher aus der Position des Nichtteilnehmers. Es ist demnach eine Frage der Stimmung. Und die Möglichkeit der Herstellung der Stimmung. Eine Frage der Möglichkeit der Registrierung der Stimmung und des Ergreifens der Freiheit. Brückenbau. Irgendwie. Aber anders. Im Sinne der kleinen Transzendenz.
Kann mir nicht mehr vorstellen, wie man wissenschaftlich sein kann. Wie soll das gehen? Wenn man fühlt? Roh ist? Wohin mit all dem? Gibt es mich in der Wissenschaft? Ist so etwas wie ich dort möglich? Oder verbanne ich mich ob des Typs, den ich abgebe notwendig selbst? Gedacht hier als Strukturargument: Ist es möglich emotional, roh, zu sein. Und das zu verwenden? Was ich meine: Kann ich denn, ohne es zu erwähnen, überhaupt aufrichtig öffentlich wissenschaftlich Journal führen? Und noch viel schlimmer: Wenn das unmöglich, ist dann Arbeit über andere Wissenschaftler_innen möglich?! Ich kann ja fühlen wie signifikant das alles ist! Also bei anderen auch? Oder wieder mal nur ich? Und wenn das nicht geht, wenn das unmöglich ist, dann haben wir hier schon das Ende der Fahnenstange erreicht. Daran gibt es dann aber auch nichts mehr zu deuteln, lediglich empirisch zu unterfüttern. Bricht mein Projekt des Ja-Sagens nachher an dieser Stelle? An der Unmöglichkeit etwas zur Liebe zu sagen? Diese Offenheit des Hineinragens in die Welt ist möglicherweise nur möglich, wenn man dabei sozusagen an dieser Stelle für eine Weile unberührt bleibt. Es ist die Möglichkeit der Verbindung an dieser Stelle, die für eine Weile unbesetzt bleiben muss, die die Möglichkeit für weniger einnehmende Assoziationen ermöglicht. Und wenn darüber aber bis auf diese ausweichenden Worte (und man kann sich ja die verschiedenen Permutationen vorstellen, die eine Explikation nötig machen würden) nichts sagbar ist, dann wäre zu beschreiben, warum dem so ist (Kartierung des Akteur-Netzwerks), was aber unmöglich ist. Weil man nicht allein darüber verfügen kann. Und ich meine damit nicht die Heuristik der klassisch definierten Privatsphäre (siehe hier für meine Reformulierung der klassisch definierten Privatsphäre). Sondern das Fehlen von Handlungsmacht, bzw. der Herstellung von dieser. Dabei gedacht als Existenzweise. Manches bleibt unübertragbar. Die Verfügbarmachung der Evidenz des Mangels dieser Art der Handlungsmacht geht erst nach dem Tod, was für Historiker_innen einen Trost darstellt, solange jene über die man forscht genügend geheime Spuren hinterlassen (hier gemeint als innerhalb von spezifischen Einhegungen produziert; etwa Day One). Kann das aber hier nicht formulieren. Nicht jetzt…
Besonders groß auch der nicht wegzubeschreibende Ärger über das bisher unterirdische Niveau der universitären Lehre hier. Wenn das die Art und Weise ist, wie sich die Humanities an anderen Unis selbst abschaffen, dann wundert es mich kein bisschen. Ich merke an mir selbst die zunehmend schwieriger bekämpfbare Ungehaltenheit mit der Arsch-nicht-in-der-Hosehabigkeit in diesem Bereich. Und bewundere zunehmend die Scheißegalhaltung bezüglich der Vermittlung etwa der Literaturwissenschaft an meiner Uni. Es ist als hätte man mich schließlich doch noch richtigrum orientiert. Frage mich andererseits aber trotzdem wie die fehlende (geachtete) Theorieproduktion über deutsche Grenzen hinweg zustande kommt, wenn Berlin doch eindeutig zwei bis dreimal so anspruchsvolle Seminare macht. Auch wenn das alles noch zu wenig ist: Es ist wenigstens tausendmal mehr als an anderen Unis. Und dieses verfickte System… am meisten stört mich, dass wir, die wir uns sorgen, hauptsächlich vorher aussortiert werden oder - etwa im Falle @kusanowskys - sich mehr oder weniger vollständig davon zu emanzipieren suchen. Man fragt sich wie zu rechtfertigen ist, dass man sich so umfänglich mit etwas auseinandersetzt, wenn man am Ende es weder vermittelt (nicht nur an Lehre denken, hier…), noch teilen kann (was zwei unterschiedliche Dinge sind). Man schreibt sich selbst in die Unmöglichkeit des Unterfangens von besseren Humanities ein. Das ist trotzdem kein “für oder gegen uns”-Argument. Es versucht lediglich die fast übermenschliche Unmöglichkeit guter Lehre zu skizzieren. Ich hasse in Abhängigkeit jener zu stehen, deren Hauptinteresse nicht Lehre ist und die gleichzeitig ihr Produkt nicht entlang meiner Interessentlinien (denkt an Magnetfelder) ausrichten. Und aus dem Weg gehen sie nicht. Weil das hieße ja eben Emergenz schon in der Lehre zuzulassen. Es schwingt hier sicher auch eine Menge Senioritis mit. Aber da ist mehr.
Auch scheint es mir im Hinblick auf Thalassophobie sinnvoll die Unterscheidung von Oberfläche und Tiefe auf seine Nützlichkeit hin zu untersuchen.
Muss jetzt mal aufhören. All diese Worte sind bloßes Rauskratzen. Sich selbst schreiben machen. Es ist auch hier das Problem der Unterbrechungsfreiheit:
”Ich denke viel über Lethargie und Anfänge und Verzögerungen und Unterbrechungen nach. Und komme zu dem Ergebnis, dass das alles zusammengehört: Da jeder Neuanfang schwer fällt und jede Unterbrechung einen Neuanfang nötig macht - jedenfalls, wenn das was unterbrochen wird, wichtig ist - dann ist es am besten möglichst unterbrechungslos zu existieren. Deshalb will ich gern diese Zwischenzustand, in dem so viele unterschiedliche Dinge zu erledigen sind, hinter mir lassen. Oder genauer: Ich möchte, dass der Zustand nicht ist.”
Trifft auch jetzt zu.