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2015-09-10-Nachmittag

Zu Blochs Apologie der Geschichte

  • bezieht sich auf Peguy, wie Latour
  • ist gleichzeitig Relativist
  • kennt Clio, nutzt es auch

Erinnert mich dabei vor allem an mein eigenes Hypertextprojekt. Dabei ist die Frage aber schon nicht mehr: “Wozu dient die Geschichte?”, sondern “Was ist ein_e Historiker_in?”. Diese Akzentverschiebung ließe sich aus dem Vergessen heraus erklären. Nämlich als Funktion der Institutionalisierung, mit der der Grund für die Tätigkeit in ihrer Ursprünglichkeit verloren geht. Vielleicht: gehen muss. Außerdem interessant: Die Problematik des Menschen, als Problematik der Menschen (Plural) dazustellen. Idee dabei von Abstraktionen abzusehen. Finde ich gut. Mit Latour: Wir sprechen nicht mal mehr von den Menschen, sondern von allem in seiner Konkretheit von Materialität, von Morphismen. Hat Latour Bloch gelesen? Frage mich weiters, ob und wie meine eigene Zeitkonzeption nicht gar über Blochs Verständnis hinausgeht. Dann nämlich, wenn Zeit nicht nur vorgefundene Realität ist, sonder gleichzeitig jeweils im Akteur lokalisiert und relational eingebunden existiert, dann lässt sich über signifikante Entwicklungen nämlich mehr sagen. Man kann dann sagen, dass die Überlagerungen verschiedener Zeiten zu Intensitäten führen, die bestimmte Momente als Möglichkeitsräume für Ereignisse wahrscheinlicher machen. Einfacher: Die Möglichkeit der Möglichkeit von historisch signifikanten Ereignissen steigt mit der Anwesenheit von unterschiedlichen, aber gemeinsam in den und auf die Akteure einwirkenden Zeiten. Das ist deshalb relevant, weil die erste Ebene immer auf eine komplett unerforschliche Kontingenz rekurriert, die m.E. durchaus noch durch Differenzierung dieser Art zugänglich(er) gemacht werden kann.

Ansonsten gefällt mir das sehr gut. Im Lichte der Eindrücke von Aarhus und den erst kürzlich geschrieben Mails an Friedrich, Popplow und von Herrmann, stellt sich die Lehre auch im Hinblick auf die theoretische Herausforderung der Geschichte als weitestgehend ungelöstes Problem dar.

… mir gefällt diese Sprache allerdings nicht. D.h. meine. Es möchte hier kritisieren, was vielleicht besser beschreiben sollte, nur fehlt dafür die Zeit (das wäre eine tatsächliche Ironie der Geschichte…).

Wir können aber sagen: Geschichte bei Bloch ist die Wissenschaft der Vergangenheit der Menschen. Was dabei von besonderer Bedeutung ist, ist die Auswahl. Diese Auswahl wiederum deutet den Umstand an, dass wir es mit einer Wissenschaft der Differenzen zu tun haben. Diese Differenzen wiederum ergeben sich zeitlich durch das Vorhandensein von Dauer. Zeit charakterisiert sich dabei durch die Paradoxie ihres Vergehens bei gleichzeitigem stetigen Vorhandensein. Soll heißen: Man spricht z.B. von der Moderne und bezeichnet eine homogene Zeit. Und gleichzeitig(!) ist klar, dass auch für die Dauer der Moderne stets die Veränderung der entscheidende Faktor war. Diese Paradoxie wird dann wieder zugänglicher, wenn wir uns klar machen, dass es sich bei der Beschreibung von zeitlichen Abläufen stets um relative Gebilde handelt. Die Abhängigkeit der Beschreibung ergibt sich aus der Auswahl des_der Historiker_in, d.h. aus den gemachten Differenzen. Um im Beispiel zu bleiben: Wir ordnen etwas einer uns homogen vorkommenden Kategorie zu. Dies ist aber eine Entscheidung des_der Forschenden.

Für mich und mein Projekt weiterhin bedeutend wäre die Möglichkeit - analog etwa zu Robert Yangs “Intimate Infinite”, das seinerseits eine Kurzgeschichte von Borges, “The Garden of Forking Paths” als Ursprung bestimmt - Bloch als “Futter” (im doppelten Sinn) für mein Hypertextprojekt zu verwenden. Ich würde dann gewissermaßen zurück in den Raum der Geschichte rufen. Das böte sich an. Man könnte den “Diskurs” auf diese Weise als Begrifflichkeit einführen.

Was habe ich bisher eingeführt?

  • Die Frage

”Eine Frage ist ein Werkzeug mit dem man sich etwas aneignen kann.”

  • Das “Warum?”

”Die Frage nach dem Warum des Was ließe sich nicht nur mit Nützlichkeit (was man davon hat), sondern auch mit Einsicht (die Frage ist nun mal da) beantworten.”

  • Die Welt, Das Sein

”Philosophisch gesehen, ist alles in der Welt enthalten und dementsprechend können wir sagen, dass alles was in der Welt existiert, ist. Das ist der Frage bezieht sich also auf den Umstand, dass wir eine Welt haben, in der etwas, z.B. ein_e Historiker_in enthalten ist.”

Und von der Welt und dem Seienden können wir dank des Werkezeugs der Frage und insbesondere der Frage nach dem Warum alles aufschlüsseln.

Die Gesellschaft wäre dementsprechend etwas was da ist. Sie wäre aber für sich in ihrer Vorgefundenheit nur ehrlich zu erfassen, wenn man sich fragen würde, woher man von der Gesellschaft sprechen kann. Da mit ist eine Örtlichkeit gemeint. Diese Örtlichkeit wäre der Ort der Geisteswissenschaft. Der Ort selbst wiederum wäre im wahrsten Sinne des Wortes die Vorgefundenheit schlechthin. Einen Ort muss man nämlich finden. Er taucht auf. Außerdem könnte der Geist die Gefahr einer Dislokalisierung mit sich bringen. Diese Gefahr ist aber produktiv. D.h. sie ist Risiko. Der Versuch hier ist die Möglichkeitsbedingung von Gesellschaft als Begrifflichkeit nicht aus irgendeiner kulturellen oder naturgegebenen Emperie zu beteuern, sondern die Begrifflichkeit historisch zu rekonstruieren. Konstruktion bedeutet hier: Ausfindig Machen von notwendigen Bausteinen der Wissensformation. Mit Bloch: Aufsuchen von Ursprüngen, von Brüchen (i.S.v. Steinbruch, aber nicht nur, denk an Bachelard).

Erklärung und Beschreibung wären abzugrenzen. Gesellschaft und Kollektiv. Natur und Kultur. Subjekt und Objekt. Soziologie, Philosophie und Historie. Hier sind’s drei. Wir rollen und konstruieren die Möglichkeit der Geschichte aus diesem “künstlichen” Gefüge, aus Assoziationen.

Soweit erstmal.

2015-07-04-Nachmittag

”Transforming a haphazard trove of research material into an accessible, searchable and well-organised resource requires a set of skills that I don’t remember being formally taught as a history student.”

”In The Historian’s Craft Marc Bloch noted that ‘one of the most difficult tasks of the historian is that of assembling those documents which he considers necessary… He could hardly succeed without the help of various guides: archival or library catalogues, museum indexes, and bibliographies of every kind’. This is of course absolutely true. But once the material is assembled, it remains in many cases a veiled mystery what historians actually do with it. We don’t tend to write about that part – it can be messy, personal, and sometimes quite convoluted!”

Eureka Henrich artikuliert in ihrem Artikel “Sorting the stuff: how do historians organise their research material?” einige wichtige Probleme, die ich kurz so charakterisieren würde:

  • Wie macht man Daten nutzbar ? Und zwar so nutzbar, dass man über sie etwas sagen kann? Dieses Problem ist insbesondere in der Geschichtswissenschaft gegeben, wo es eine große Anzahl von relevanten Quellen (primäre und sekundäre) gibt, aus denen man auswählt und die in eine kohärente Form gebracht werden müssen. Und was muss man konkret dafür tun, um die Nutzbarkeit der Auswahl zu gewährleisten? Es scheint mir hier eine riesige Lücke in der Ausbildung und im Diskurs von Historiker_innen zu geben.
  • Als jemand, der sich für die Wissenschaftsgeschichte der Geisteswissenschaften interessiert, stellt sich außerdem die Herausforderung, wie man an diesen blinden Fleck in der Selbstbetrachtung dieser Community kommen kann. Wie findet man heraus, wie z.B. Walter Benjamin oder Thomas Kuhn gearbeitet hat? Was haben diese Leute tatsächlich getan um den Kunstwerkaufsatz oder Structure zu produzieren? Science Studies im Bereich der Geisteswissenschaften zu betreiben ist schon auf dieser ganz praktischen Ebene ein schwieriges, kaum versuchtes, Unterfangen, weil bisher schlicht unklar ist, wie man an die nötigen Daten kommt. Gleichzeitig wird deutlich, dass man auch Historiker_innen, so wie es Latour einst für die Laborwissenschaften tat, in ihre Werkstatt begleiten muss, wenn man herausfinden will, wie sie in der Praxis arbeiten (und hier kündigt sich eine spannende Aufgabe für meine Zeit nach dem Master an).

Beides habe ich versucht in meinem Vortrag “How the fuck? Or, an Excuse to Talk About Historiography” und hier insbesondere im Hinblick auf die Digital Humanities anzusprechen.

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