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2015-05-17-Mittag

Bin ich zu unvorsichtig im Denken? Eines ist jedenfalls klar: Mein begriffliches Vokabular fasst nur unzureichend das, was ich sagen will. Oder wie ich es sagen will. Im Prinzip handelt es sich hierbei um ein leicht erweitertes Vokabular der ANT.

  • Weltbeschreibung - Produkt eines Versuchsaufbaus (, der die Produktion von Weltbeschreibungen zum Ziel hat), verändert die Welt, in dem es sie beschreibt (man denke an Grafiti und StreetArt)
  • Versuchsaufbau - Ensemble von Akteuren, die epistemische Produkte produzieren (verallgemeinerte Variante des Rheinberger'schen Experimentalsystems)
  • EpistemischesProdukt - Nicht determiniertes, aber gleichzeitig auch nicht vollständig realisiertes/verwirklichtes Ding. (siehe EpistemischesDing)
  • Akteur - menschliche und nichtmenschliche Entitäten, diese sind selbst (epistemische) Produkte von Versuchsaufbauen, sie sind figurierte Varianten von Aktanten
  • Aktant - ein nicht-figurierter Akteur, eine Art Kraft, ein Etwas in der Welt, dass in spezifischer Weise lokal wirkt und verschiedenste Formen annehmen kann, man kann auch sagen: eine Handlungsmacht, die noch keine spezifische Form hat
  • Figuration - Aktanten trifft man in der Welt als Akteure an, mit welchen Akteuren man es zu tun hat, entscheidet die Figuration
  • Uebersetzung - Assoziation von zwei Akteuren, keine Kausalverbindung, sondern eine Schaffung von gegenseitiger Abhängigkeit (eben: von Koexistenz)
  • Blackbox - am besten beschreibt es Latour: "An intermediary, in my vocabulary, is what transports meaning or force without transformation: defining its inputs is enough to define its outputs. For all practical purposes, an intermediary can be taken not only as a black box, but also as a black box counting for one, even if it is internally made of many parts."[^1] Dementsprechend ist es eine Frage der Betrachtung und/oder der Wirkung was als Blackbox auftritt. Wichtig ist hier "can be taken", d.h. es tritt als Blackbox auf. Ein Blackbox ist das Produkt von Versuchsaufbauen. Damit ist jeder Akteur in dieser Perspektive auch Blackbox. Man kann sagen, dass man dem Produkt nicht notwendig seine Herstellung ansieht.[^2]
  • Blackboxsatz - In Texten tauchen Blackboxen ständig auf. Wenn man die argumentative und empirische, d.h. rhetorische Arbeit sieht, die in Texten passiert, bevor man zusammenfassende Sätze schreiben kann, dann liegt das auf der Hand. Hier ist das zusammenfassende dieser Sätze das was mit der allgemeineren Blackbox korrespondiert
  • Entscheidungsproblem - Damit ist das spezifische Einschätzungsproblem bezeichnet, dass alle Dinge so mitsichbringen. Nämlich: Das Verständnis von etwas ist von der eigenen Kenntnis der Umgebung dieses Etwas abhängig. Kenne ich mich nur sehr wenig mit einem Sachverhalt aus, kenne ich also den Diskurs drumherum nicht, dann kann ich nicht entscheiden, wie ich eine Aussage über etwas zu nehmen habe. Ich bin orientierungslos und jede Einschätzung ist von meinem Standpunkt aus gleich wahrscheinlich. Dieser Zustand ist im Diskurs aber nicht gegeben.
  • Diskurs - Ein Aussagensystem. Also ein gegliedertes Ganzes von Aussagen. Kann als Akteur-Netzwerk verstanden werden
  • AkteurNetzwerk - Ein Verbund von Akteuren. Es handelt sich nicht um feste Infrastruktur, sondern um ein Netzwerk, dass vollständig in der Bewegung, die es nachzuzeichnen gilt, existiert. Einfach gesagt: Alles was auf dem Wege der Produktion eines epistemischen Produkts durchlaufen wird, gehört einem Akteur-Netzwerk an. Eine andere Bezeichnung für ein Akteur-Netzwerk, die den Schwerpunkt auf die Produktion (und nicht auf die Assoziationskette) legt, ist "Versuchsaufbau".
  • Wissensformation - Eine Struktur von Wissen, die geblackboxt wurde. Ein "kleines" Aussagensystem, dass historischen Veränderungen unterworfen ist.
  • diskursives Element - Eine andere Bezeichnung für Wissensformation, die darauf verweist, dass Wissensformationen in größeren Diskursen zirkulieren (können).
  • Sphaere - Der Ort, in dem Existenz möglich wird. Ein Akteur-Netzwerk kann als Sphaere verstanden werden. Und vice versa.

[^1]: Bruno Latour, Reassembling the social-an introduction to actor-network-theory, Oxford 2005, S. 39

[^2]: Vergleiche zur Ähnlichkeit dessen mit der Marxistischen Analyse und zur Frage, was von Latours Antifetischismus zu halten ist: Hylton White, Materiality, Form, and Context: Marx contra Latour, in: Victorian Studies, 55/4, 2013, 667–682. (hier fehlen mir, mit anderen Worten, noch eigene Gedanken)

Republish: AlteNeueGeschichte

Dass es bei der Geschichte um Geschichten (Plural) geht liegt schnell auf der Hand: Allein, dass man einen Unterschied zwischen alter Geschichte und neuerer Geschichte (und neuster Geschichte) macht deutet darauf ja schon hin. Trotzdem scheint mir der Grund dafür immer noch hauptsächlich in der Tatsache begründet, dass man möglichst große Geschichten, große Erzählungen (wenn denn eine Geschichte schon nicht funktioniert) schreiben möchte. Epochen sind demnach nicht nur für die Periodisierung (siehe [[Perdiodisierung]]) im Sinne einer Interpretation des auf der Welt Passierten zu begreifen, sondern anders herum (auch) als Sinneinheiten, in der sich homogene Narrative gerade noch umsetzen lassen. Auch der Stil der jeweils umgesetzten Geschichte lässt sich in den Unterschieden von alter zu neuer Geschichte erkennen: diese ergeben sich allein schon aus den Ansprüchen, die sich aus der jeweiligen Quellenbasis herleiten. Wer viele Quellen hat, wird eine "Epistemologie des Details"[^1] eher vorziehen als eine große Erzählung. Als unabhängige aber in Beziehung gesetzte Forschungsprogramme entsteht daraus eine gewisse Reibung. Diese lässt sich natürlich nicht auflösen. Es ließe sich aber vermutlich zeigen, dass es sich um verschiedene Forschungsprogramme handelt und dass es möglich ist sich die Relation der verschiedenen Forschungsprogramme zu nutze zu machen, um die großen Erzählungen historisch-epistemologisch zugänglich zu machen, in dem wir sie als einen Versuchsaufbau neben anderen darstellen. Kurz gesagt: Es wäre eine Geschichte der Fallstudien und Versuchsaufbaue der Disziplin Geschichte denkbar, die Mikrogeschichte (siehe [[MikroGeschichte]]) (oder hier vielleicht wirklich: Mesogeschichte[^2]) wäre und trotzdem die großen Erzählungen, die pädagogisch und heuristisch durchaus wertvoll sind, als Aussagensysteme (also diskursiv) oder Akteur-Netzwerke (siehe [[NetzwerkANT]]) integriert. Im Prinzip versuche ich das mit meinem Projekt [[DieGeschichte]] umzusetzen (wenn ich es denn versuche…).

[^1]: Hans-Jörg Rheinberger, Experimentalsysteme und epistemische Dinge, (Suhrkamp) 2006, S. 174-175

[^2]: Patricia Lengermann, Gillian Niebrugge, Moments in the Methodology of Meso History, in: The American Sociologist, 38/4, 2007, 340–351.

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