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Tuesday, June 30, 2015

2015-06-30-Abend

Noch so ein “ein weiteres Problem ist ja auch…”-Text. Ich sprach heute auf dem Flur vor dem Büro meines Profs für Wissenschaftsgeschichte mit einem Mathematiker, der sich für die Geschichte der Mathematik interessiert und daher im Laufe der Semester ein Gast in Seminaren war. Er erzählte mir, dass er schon bald seinen Master abschlösse und er dafür nun schon bald mit der Masterarbeit begänne. Und ich erzählte ihm vom anstehenden Auslandssemester und davon, dass ich vorhätte statt einer Masterarbeit ein “Masterprojekt” im Bereich der Digital Humanities anzugehen, wenn ich dazu die Möglichkeit erhielte und es sähe gar nicht mal so schlecht dafür aus. Er fand das befremdlich. Sei doch irgendein Stapel Papier etwas ganz anderes als irgendeine Webseite. Wenn man in 20 Jahren sagen könnte: “Schau hier, das ist meine Masterarbeit” und dann auf 80 oder 90 bedruckte Blätter verweisen könne… das hätte doch etwas. Mehr. Irgendwie. Wie genau sei natürlich schwierig zu sagen.

Ich hielt natürlich dagegen. Aber wie viel emotionaler Widerstand mir da entgegen kam, damit hab ich nicht gerechnet. Wie das überbrücken, das mildern, mindern? Gibt sicher viele, die so denken. Gerade in den Humanities! Ich kann ja schlecht 80 bis 90 Seiten schreiben und dann noch ein Digital-Humanities-Projekt bauen.

Unberuhigend auch die Problematik, dass mich Umtreibendes und wie es mich umtreibt zu ungewöhnlich ist. Bin vielleicht selbst toxischer Akteur. Schrieb das bei Twitter:

(Kontext: Tweets von @kathrinpassig über Andreas Belwe von der Veranstaltung mit dem Hashtag “#BildungDigital”(, die ich irgendwie nicht weiter kontextualisieren kann))

  • “Den Tweets nach zu urteilen, ist der Belwe das, was ich als einen “toxischen Akteur” bezeichnen würde. #BildungDigital” (q)
  • “= ein Akteur, der durch seine Assoziation mit anderen Akteuren zu einer Vergiftung des Netzwerks beiträgt und “neutralisiert” werden muss.” (q)
  • “Und für diese Neutralisation braucht es ein Antidot (in diesem Falle ein rhetorisches), was erstmal hergestellt werden muss.” (q)
  • “Anschließend kann der toxische Akteur so toxisch sein, wie er_sie_es will: Die Vergiftung kann reproduzierbar gestoppt werden.” (q)
  • “Weitere Beispiele für toxische Akteure: Evgeny Morozov, Richard Dawkins. Neutralisation muss von jedem Ensemble erneut hergestellt werden.” (q)
  • “(Siehe dazu auch, die etwas anders gelagerte Darstellung von @kusanowsky und seinen Experten: t.co)” (q)
  • “(Unterschiede: Ich spreche von Akteuren (menschlichen, nichtmenschlichen), jeder Akteur kann toxisch sein)” (q)

Vielleicht bin ich zu sehr Fremdkörper im System? Und muss neutralisiert werden? Oder wirken meine Irritationen produktiv auf den Versuchsaufbau unseres Instituts und die Institution der Humanities ein? Muss man sich ja fragen. Immer mal wieder und ständig. Dass ich vergift steht außer Frage. Infrage steht, ob ich von anderen ausgehalten werden kann.

2015-06-30-Nachmittag

Was mir fehlt ist die Zeit für gründliche empirische Arbeit. Ich entschuldige das mit dem anstehenden Auslandsjahr in Aarhus. Die Wahrheit ist aber, dass ich seit letzten Mittwoch so gut wie nichts gelesen habe und mich das sehr unglücklich macht. Es fühlt sich an, als verlöre ich Zeit. Aber vor allem fehlt mir die Konzentration am Abend. Kein Grund nicht spekulative Gedanken weiterzudenken:

  • Wenn man irgendwas nicht braucht um etwas gut zu beschreiben, dann braucht man es nicht - Ockhams Rasiermesser
  • Aber: laut den Existenzweisen, kann man gern mehr als ein Tool besitzen: “Shouldn’t even the most hardheaded rational- ists rejoice that there are several types of instruments, as long as each one is well honed?” (Bruno Latour, An inquiry into modes of existence: an anthropology of the moderns, Cambridge, Massachusetts (Harvard University Press) 2013, S. 19)
  • Deshalb: Frage ob “Tendeziöses” von Akteuren nötig? Vielleicht nicht. Erhöht es die Beschreibungsqualität? Ja. Also: Warum nicht?!

P.S.: Wie gesagt: Etwas knappe Energie gerade für lange Gedanken und zu schlechtes Gewissen, weil ich zu wenig nachlese (etwa bei Freud/den Analytikern, bezüglich des Anarchismus, in Latours Existenzweisen (bin im 7. von 16 Kapiteln). Außerdem müsste man wegen des Animismus mal schauen, mit dem man diesen Gedanken formulieren könnte.

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