2015-07-12-Nachmittag
Bin dabei für EDIT, aber auch für mich, etwas mehr Ordnung in meinen neuen Workflow zu bekommen. Dabei jetzt doch noch mal - auch wegen der Twitterkonversationen - mit dem Zettelkasten von Daniel Lüdecke angefangen, was sofort die Frage nach diesem Journal hier stellt. Wofür ist es dann noch da? Mein große Angst nach dem Wiki-Debakel (auch wenn das sicher ein zu hartes Wort ist) ist, dass ich statt meine Arbeit zu dokumentieren, dokumentiere, wie ich dokumentiere. Und das ist eben nicht meine Arbeit. Also werde ich wohl hier auch umstellen.
Außerdem stellt sich die Frage nach dem Ethos dieser wie auf der Flucht ständig eingeschlagenen Richtungsänderungen. Als wäre ich ein Gejagter - gejagt von was? Davon, dass es perfekt werden muss? Nun ja. Zumindest, dass es möglich sein muss das zu tun, was ich tun will. Und das ist halt hart und kann schnelles Einlenken erforderlich machen. Aber ist halt doof, weil sehr unwissenschaftlich, weil selbst für mich ja kaum artikulierbar, welche Gründe es gibt.
Auch im Hinblick auf meine eigenen Ansprüche an offenes wissenschaftliches Arbeiten. Denn ich will ja andere beim Entstehen schon dran teilhaben lassen, was ich hier tue. Gäbe es doch nur die Möglichkeit den Zettelkasten in navigierbarer Weise zu veröffentlichen… damit kommen wir dann auch gleich zum nächsten Problem: Die Beschäftigung mit Postprivatheit und daran anschließender Fragen für die Wissenschaft. Möglicherweise ist das etwas, was in der Latour’schen Sprechweise ein Kategorienfehler genannt wird[^1], oder jedenfalls scheint es mir mehr und mehr so, dass mein Wunsch offen mit der Verfasstheit dessen, was ich meine Theorieproduktion nenne, umzugehen, immer noch auf dem Wunsch beruht “straight talk” zu betreiben (“Double Click” oder [DC]).[^2] Und das geht halt sowieso nicht. Oder: Man könnte auch sagen, dass es schlicht nicht möglich ist, mit meinen beschränkten Mitteln alle über alles, was ich tue (die [NET]s)[^3] und den Grund dafür ([PRE])[^4] zu informieren, ohne mich selbst damit lahm zu legen.
Dementsprechend wäre es vielleicht sinnvoll so etwas wie eine “Privatsphäre”, wie ich sie mit Latours ANT/Existenzweisen (und Sloterdijks Sphärologie) neu formulieren wollen würde zu etablieren. Gar nicht mal, um damit etwas geheim zu halten - peinliche Gedanken in diesem Feld gibt es zwar, aber nicht mehr sehr viele, jedenfalls fühlt es sich im Augenblick nicht so an… - sondern um ein Ethos zu begründen, dass mir wissenschaftliches Arbeiten und die Beendigung des Studiums erlaubt und gleichzeitig neu und spannend bleibt.
In was für seltsame Problemlagen mich dieses Ethos manövriert hat…
Jedenfalls folgt aus all dem, dass vorerst immer noch nicht weiß, wie ich es mit dem Verhältnis Öffentlichkeit/Privatheit bezüglich meiner medialen Produktion halten soll, weil ich noch nicht absehen kann, wie gut oder schlecht für mich der Zettelkasten funktionieren wird. Im Augenblick scheint es in der Tat eine bemerkenswerte Technik zur Erzeugung von Emergenz zu sein. Wir werden sehen. Am Journal ändert sich vorerst vermutlich nur die Veröffentlichungsfrequenz. Ich will hier schon weiterhin gerne sehr regelmäßig veröffentlichen, aber wie die Posts aussehen und welche Qualität sie haben werden und von wo aus sie geschrieben werden (ich könnte mir vorstellen, dass ich ab und an ein paar Zettel aus dem Zettelkasten zu einem Post verwurste) ist noch unklar. Dafür muss sich das alles erstmal ein wenig mehr eingrooven. Diese Umstellung selbst betrifft dabei lediglich ein Teilaspekt meines Workflows.
Wenn man grob die Aspekte Archiv/Schreibbasis/(andere) Artikulationen (als die Schreibbasis) voneinander unterscheidet, dann habe ich meine Schreibbasis zweimal in kürzerer Zeit umgestellt: vom Wiki zum Blog und iA Writer und von dort zum Zettelkasten. Insofern verschiebt sich das Blog vielleicht nur weg von der Schreibbasis hin zu den Artikulationen.
[^1]: Bruno Latour, An inquiry into modes of existence: an anthropology of the moderns, Cambridge, Massachusetts (Harvard University Press) 2013, S. 48ff
[^2]: Bruno Latour, An inquiry into modes of existence: an anthropology of the moderns, Cambridge, Massachusetts (Harvard University Press) 2013, S. 93
[^3]: Bruno Latour, An inquiry into modes of existence: an anthropology of the moderns, Cambridge, Massachusetts (Harvard University Press) 2013, S. 33ff
[^4]: Bruno Latour, An inquiry into modes of existence: an anthropology of the moderns, Cambridge, Massachusetts (Harvard University Press) 2013, S. 62ff